Gründonnerstag. Der Gemüsebauer auf dem Markt erzählt, einige seiner Mitabiturienten hätten das Latinum erst im Medizinstudium erworben, zwei Semester durchgepaukt, aber nur die Nomen und Adjektive. Eine Sprache ohne Verben lernen, meint er, das sei so wie Führerschein ohne Lenken machen und hinterher behaupten, man könne fahren.

Karfreitag. Wandaufschrift: Fick dich ins Knie, Melancholie!

Ostersamstag im Großstadtcafé: rosa Blümchentapeten, alle Holztische mit denselben charmanten Fehlern, Schnörkeltörtchen und Zuckerzeug, und drübergekippt Hintergrundjazz, der langsam und stetig die Stunden höhlt, die Seele korrodiert. Gefällige Klänge, in abgezirkeltem Dynamikumfang plätschernd ohne Punkt, ohne Komma, ohne Gnade. Da war mit Sicherheit kein Mensch involviert. Ich verlasse das Lokal milde verstört.

Zu Ostersonntag die Salmiakstange gefunden, die ich vor Wochen von M geschenkt bekommen und offenbar sehr gut vor mir versteckt habe. Ein Wunder.

Buchtip: "Die besten Beerdigungen der Welt", Endlichkeit für alle, auch die Kleinen.





Daß Kälte und Schnee für Winter in diesen Breiten ganz normal seien, heißt es in der Tagesschau. Fehlt noch die Meldung, daß das eine Nachricht ist. Ich jedenfalls mag das, wenn die Dächer weiß und die Straßen so still sind wie zuletzt im ersten Jahr der Pandemie.

Zum ersten Mal wieder mit T bei der Großveranstaltung mit Preisverleihung. Die Laudatio war doch recht verkopft, meint T; immerhin, sage ich, es war eine Sympathiebekundung für all die Demonstranten draußen in der Stadt. Wenn man schon nicht mitmarschiert.

Daß das zwanghafte Bekenntnis, die exakte Einsortierung dessen, was man nach außen trägt, ein Hindernis sein kann, lästig im besten, eine Unmöglichkeit im schlimmsten Falle, darüber reden wir beim Sektempfang. – Oh, schau mal, zeige ich, da unten, die beste Buchhandlung der Stadt, sämtliche Mitarbeiterinnen stehen beisammen. Wo, fragt T, und da haben sie mich auf dem Balkon erspäht, fünf Köpfe wenden sich nach oben, zehn Arme werden geschwenkt. Aha, stellt T fest, du kaufst also zu viele Bücher.

Häppchen und so viel anderes zum Draufherumkauen; und da ist der Januar auch schon fast vorbei.





Der Sommer will nicht recht Abschied nehmen, nur das Licht, das geht täglich zeitiger schlafen.

In meinem Zweithut wohnt eine Spinne samt Kokon; das darf sie, mein Primärhut ist ja nicht verloren.

Neulich sah ich in der Stadt, bei einem energischen Regenguß (was heute Unwetter heißt), einen Mann, der ging mit einer Packung Fladenbrot auf dem Kopf.

Überhaupt wohne ich in einer Stadt, von der H sagt, selbst ihre Linienbusfahrer seien ganz entzückende Geschöpfe. Noch leichter hat man's hier, wenn man Geselligkeit mag oder mindestens Alkohol, Fußball und Musik. Es geht aber auch so recht gut.

Im Dämmer schimpfen Amseln. Die Krähen gegenüber auf dem Dach, da bin ich sicher, beobachten in unseren Küchen, wie man Dosen öffnet, und merken sich schon mal, wo die Vorräte sind.





Im Herzen ein geflügeltes Insekt, das sich wieder und wieder und wieder gegen das Glas der Fensterscheibe wirft.





Aus dem Stand in vollen Lauf, durch schiere Größe wie in Zeitlupe, weich, mit einem Minimum an Bewegung und beinahe lautlos stürmt das Tier vorüber. Ich habe noch nie einen Elefanten rennen sehen. Keine knallenden Hufe, keine flatternde Mähne, nichts als beschleunigte Masse. Wir Zaungäste staunen, Kinder jubeln, die Erwachsenen halten den Atem an: die Elefantenkuh ist fast zwei Meter hoch und wiegt an die fünf Tonnen. Jeden ihrer Tritte können wir im Untergrund spüren. Gäbe es den Zaun nicht, stünden wir nicht hier.

Warum?, fragt ein Kind, als das Tier wieder vorüberkommt, die vielleicht fünfzig, sechzig Meter bis zum Wassergraben. Umdrehen und zurück, wieder und wieder. Oh, wenn man das wüßte!

Ich bleibe noch ein paar Stunden im Tierpark, aber auch vor der Papageienvoliere, im Café, auf der Zugfahrt heim und Tage später folgen meine Gedanken dem rennenden Elefanten.