Mittwoch, 27. Mai 2015

Den Laden gibt es seit Jahrzehnten, ein heimlicher Dorfplatz inmitten der Stadt: hier kennt man sich bis ins dritte Glied. Frau F. leitet die Geschicke des Geschäfts, lächelnd und mit fester Hand, und Herr F. macht die Technik. Er kann das; er kann alles, was mit Maschinen zu tun hat. Im Iran war er Pipeline-Ingenieur oder wäre es geworden, wenn ihm nicht die Politik dazwischengeraten wäre.

Herr F. ist ein Bilderbuch-Perser. Immer trägt er Weste, zugeknöpft. Mähne und Bart sind mittlerweile beinah weiß. Er ist stolz auf das, was er geschafft hat: Flucht mit Frau und Kindern, Deutschkurs, Weiterbildungen und Arbeit, Arbeit, Arbeit. Und natürlich dieses Geschäft, dessen zusammengewürfeltes Inventar er in Betrieb hält mit Schraubenschlüsseln und Erfindergeist.

Sein Akzent singt und hat diese dunkel gefärbten as, die ich so gern höre. Oft sagt er Sätze, in denen mein Herz vorkommt oder meine Seele, aber nur, wenn kein Fremder dabei ist. Bei traurigen Geschichten poltert er: nun, jeder ist seines Glückes Schmied, Leben ist grausam, mal geht es so, mal anders; doch Stunden später noch hört man ihn seufzen.

Die Bitterkeit ist ihm nicht fremd. Was alles hätte werden können, und die Ohnmacht; keine Schikane hat er vergessen, keinen Beamten, keinen Vorgesetzten, der ihm je das Leben schwer gemacht hat. Herr F. hat ein langes Gedächtnis. Immer noch sagt er: bei uns im Iran.

Dennoch, das Lachen liegt nur einen schlechten Witz entfernt, und es ist zuverlässig ansteckend. Diesem dröhnenden, tiefen Lachen von Herrn F. könnte sich höchstens eine Maschine entziehen. Wenn überhaupt.

Allmählich denken sie ans Aufhören, die F.s; irgendwann muß es gut sein. Ich schaue mich im Laden um, betrachte die Museumsstücke, die hier Arbeiten aller Art verrichten und deren Mechaniken stillestehen werden ohne die ständige Zuwendung von Herrn F.; ich sehe die Kunden, deren Unterlagen, Abschlußarbeiten, Lebensläufe hier verwaltet werden seit Generationen und deren Aufträge aus zwei, drei Worten bestehen: wie immer, bitte!, ich denke an büschelweise Geschichten und ahne tausend mehr und merke, wie sie selbst langsam zu Geschichten werden, die F.s und ihr Fotokopiergeschäft im Herzen der Stadt. Ohne sie wird es nicht mehr dasselbe sein.