In der Stadt hat eine Bäckerei eröffnet, wo vorher schon zwei andere gescheitert sind. Erst gab es Bauarbeiten, dann lange ein Schild, daß bald was kommt, und jetzt ist da ein hipper Laden mit nichts als Brot, vier Sorten. Machen auf um halb zehn und zu, wenn alles verkauft ist.
Das Lädchen ist winzig; anderthalb Meter Theke, die Verkäuferin schenkt auch Kaffee aus, und in der Backstube dahinter werken junge Männer voller Elan. Man darf im Winter die Tür nicht offen halten, die Zugluft stört den Teig. Alles ohne Zusätze, es wird nicht immer gleich, aber übrig ist abends selten was.
Vor dem Laden immer eine Schlange, "wie in de deier Zeit": ein paar Väter mit Kinderwagen, sonst lauter Rentnerinnen. Die haben offenbar Geld, Zeit und Geduld. Die Verkäuferin, vor Piercings blitzend, erklärt das Sortiment: "… ein geiles Roggen, und hier haben wir noch das mit Saaten, das ist auch sehr geil …" "Des nehm isch", entscheidet sich die alte Dame, zahlt und zieht von dannen. Eine raus, eine rein, und Laib für warmen Laib leeren sich die Regale.
Auch ich trage mein Brot nach Hause, den Duft von früher in der Nase. Es bleibt drei, vier Tage frisch, man braucht nichts drauf. Ich hatte es ganz vergessen, solange ich keines hatte, aber: richtig gutes Brot ist ein richtig großes Glück.
Daß Kälte und Schnee für Winter in diesen Breiten ganz normal seien, heißt es in der Tagesschau. Fehlt noch die Meldung, daß das eine Nachricht ist. Ich jedenfalls mag das, wenn die Dächer weiß und die Straßen so still sind wie zuletzt im ersten Jahr der Pandemie.
Zum ersten Mal wieder mit T bei der Großveranstaltung mit Preisverleihung. Die Laudatio war doch recht verkopft, meint T; immerhin, sage ich, es war eine Sympathiebekundung für all die Demonstranten draußen in der Stadt. Wenn man schon nicht mitmarschiert.
Daß das zwanghafte Bekenntnis, die exakte Einsortierung dessen, was man nach außen trägt, ein Hindernis sein kann, lästig im besten, eine Unmöglichkeit im schlimmsten Falle, darüber reden wir beim Sektempfang. – Oh, schau mal, zeige ich, da unten, die beste Buchhandlung der Stadt, sämtliche Mitarbeiterinnen stehen beisammen. Wo, fragt T, und da haben sie mich auf dem Balkon erspäht, fünf Köpfe wenden sich nach oben, zehn Arme werden geschwenkt. Aha, stellt T fest, du kaufst also zu viele Bücher.
Häppchen und so viel anderes zum Draufherumkauen; und da ist der Januar auch schon fast vorbei.
Dochdoch, schreibe ich M, ich finde immer noch immer wieder Schönes, nur behalte ich das derzeit am liebsten für mich.
Neuerdings will der Schlaf, der sonst wie ein treues Tier sich einstellte, sobald ich lag, nicht mehr so recht. Mal sehen, was sich mit den neuen Stunden in der Nacht beginnen läßt.
Der Sommer will nicht recht Abschied nehmen, nur das Licht, das geht täglich zeitiger schlafen.
In meinem Zweithut wohnt eine Spinne samt Kokon; das darf sie, mein Primärhut ist ja nicht verloren.
Neulich sah ich in der Stadt, bei einem energischen Regenguß (was heute Unwetter heißt), einen Mann, der ging mit einer Packung Fladenbrot auf dem Kopf.
Überhaupt wohne ich in einer Stadt, von der H sagt, selbst ihre Linienbusfahrer seien ganz entzückende Geschöpfe. Noch leichter hat man's hier, wenn man Geselligkeit mag oder mindestens Alkohol, Fußball und Musik. Es geht aber auch so recht gut.
Im Dämmer schimpfen Amseln. Die Krähen gegenüber auf dem Dach, da bin ich sicher, beobachten in unseren Küchen, wie man Dosen öffnet, und merken sich schon mal, wo die Vorräte sind.
In der Zeitung ist viel die Rede von Ausweitung des Jagdrechts. (Überhaupt alle diese Wesen, die sich nicht schicken und einfach still aussterben wollen.) Die Krähen, schreibt M dazu, haben ein Landwirteproblem. Landwirte sollten endlich zum Abschuß freigegeben werden.
Ich wußte heute in meiner Straße keine Antwort auf die Frage, wo in der Stadt man denn einen Kaffee trinken kann, wenn man nicht so viel Geld hat.
Auf der Haben-Seite: endlich weiß ich wieder, wie herrlich es sich schläft beim Geräusch leichten Regens. Und es gibt dieses Jahr wilde Brombeeren.
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