Montag, 21. September 2015

Es fallen die Feste: Vier Generationen füllen eine enge Gaststube, und die Vorstellung der Familie als Baum wird überdeutlich. Die langlebigen Zweige, die fruchtbaren, die abgestorbenen ... 95 wird die Matriarchin, frisch und präsent, nur das Augenlicht hat nachgelassen. Sie geht herum und begrüßt alle; manche erkennt sie erst an der Stimme. Sie ist, was sie immer war: mittendrin. Ihre Sachlichkeit und ihre Backkünste sind Legende. Erfüllt ist das Wort, das man lächelnd denkt, wenn man ihr begegnet. Und wünscht: daß es so bleibt, daß das Zerbrechliche des Lebens ausnahmsweise nicht zerbricht. Daß das Ende freundlich naht und nicht zaudert.

Auch der Schriftsteller feiert Geburtstag. Im Wohnzimmer seines Elternhauses stelle ich fest, daß ich hier schon einmal gewesen sein muß. Keiner fragt mich, woher ich ihn kenne; ich könnte es ohnehin nicht sagen. Ob er's noch weiß? Ich sehe ihn zwischen seinen Gästen, mir fast sämtlich unbekannt; mit jedem von ihnen verbinden ihn Geschichten. Das sind starke Fäden. Ein ganzes Haus, ein ganzer Garten voller guter Geschichten, was sollte ein Schriftsteller mehr wollen?

Das Sonnenjahr geht in sein letztes Viertel. Ich habe keine Blumen verschenkt.