Ich mag es nicht, auf Verkehrsmittel angewiesen zu sein. Aber um die meisten Städte lagert ein Ring von öden Vororten, riesigen Parkplätzen, Industrie und Gewerbe, und die Einfallstraßen haben keine Fußwege. Die letzten Kilometer am Rande der Stadt sind kein Abenteuer, sondern eine Fleißaufgabe; alle Wege sind lang, alle Ausblicke langweilig, eben für Autofahrer gemacht. Für Fußgänger bedeutet das Umwege – oder Risiken; Abkürzungen sind oft Sackgassen.
Der ältere Herr, den ich nach dem Weg hinaus frage, denkt wie ein Autofahrer. Wo wollen Sie hin? Nach S.? Das sind aber 30 Kilometer, mindestens! (Es sind sechzehn.) Da gehen Sie am besten über L. ... (Das wäre ein Umweg von zweieinhalb Kilometern.)
Ich finde meinen Weg mehr nach Sonne als nach Karte, und das gefällt mir gut. In den Feldern ist der Blick plötzlich unbegrenzt. Menschen sehe ich schon in weiter Entfernung, aber wir ziehen aneinander vorbei, ohne uns zu begegnen, wie Schachfiguren oder wie Planeten.
Im Neubaugebiet am wuchernden Dorfrand von N. bremst ein riesiges Auto für mich. Auf Schanzhügeln aus Gabionen stehen hier Häuser im Haziendastil, in schwedischer und schweizerischer Art; es scheint, der deutsche Mittelstand wolle unbedingt anderswo wohnen. Man hat zwei Garagen und eine Ladung Kies als Vorgarten. Der alte Dorfkern wirkt verödet, eine Durchgangsstraße mit Sparkasse und Supermarkt, kein Gasthaus.
Dann kommt noch ein herrliches Stück Wegs, ein Anstieg wie eine Treppe in die Wolken. Ich denke über mein Unbehagen nach, nicht hinaus zu können, nicht zu Fuß raus aus der Stadt, abgeschnitten zu sein von der Welt. Meine Welt ist weit. Was ich gegangen bin, gehört mir.
Sechs Stunden bin ich gelaufen; die Rückfahrt mit der Bahn dauert 30 Minuten. Der Himmel bauscht sich blutrot und golden, eingerahmt von den Gummidichtungen der Zugscheiben.