Mittwoch, 15. Mai 2024

Der gotische Kreuzgang war immmer eine Zuflucht inmitten der Stadt gewesen, mit Rosen und Unkraut, mit Gebüsch und einem Brünnlein, in heißen Sommern kühl, still und schön. Vergangenen Winter war plötzlich Baustelle; Grundsanierung, erklärte mir ein Arbeiter, man hatte auch Müll und Kriegsschutt unter dem Gärtchen gefunden, das sollte weg, und alles ordentlich.

Ist es jetzt. Kirschlorbeer, Rollrasen, das Brunnenbecken frisch einbetoniert. Es riecht ein wenig wie Einrichtungshaus. Warum so tot und traurig, das sah ich erst auf den dritten Blick: das gesamte Geviert ist von einem himmelhohen Netz überspannt, kaum sichtbar, doch vogelfest; gelegentlich hängen ihre Kadaver darin. Macht euch das letzte bißchen Erde untertan: check.

Herrn E hätte das nicht gefallen. Er hat hier manchmal gearbeitet, und überhaupt sah ich ihn öfter in der Gegend; das letzte Mal, als er auf den Stufen vor der Apothekentür erschöpft Pause machte.

Wir hatten eine Grußbekanntschaft und wechselten Worte, wenn mal wieder die Feuerwehr die Straße sperrte; ich weiß, daß er malte, sich für Geschichte interessierte, daß er Mauerseglernester meldete und unter Schutz stellen ließ. Eine freundliche Präsenz, ein Verbündeter. Jetzt las ich: er ist gestorben, vor ein paar Wochen schon, und er fehlt mir mehr, als ich mir erklären kann.