Das Mütterlein macht uns noch immer Kummer. Nichts hat sie ausgelassen; wir kennen jetzt alle Krankenhäuser der Gegend von innen.
In den ersten Wochen lag sie still und klagte: "Das hätte ich nie gedacht", wieder und wieder. Das Gefühl für Zeit und Reihenfolgen war weg; sie teilte das Zimmer mit Fernen und Toten und machte keine großen Unterschiede zu den Lebenden, die sich täglich dazwischensetzten. "Komisch", sagte sie immerzu. Nachts lag sie wach und grübelte, woher ihre Gedanken kämen: von ihren Tanten? den Großtanten? Von der Musik? oder doch vom Herrgott selbst?
Seit ein paar Tagen ist es nicht mehr so schwierig mit dem Essen, dem Trinken und den Behandlungen: "Na gut." Sie will wieder was, nämlich raus.
Neulich nacht klingelte mein Telefon, ihr war meine Nummer wieder eingefallen: "Habe ich mich wirklich so schlimm benommen?" Ich beruhigte sie nach Kräften – Patienten sind manchmal so, das kennst du doch, etc. – "Kannst du denn schlafen? Denk dir eine Herde Schafe, und dann zählst du sie."
"So schöne Tiere, aber Schafe hatten wir ja nie."
"Dann denk dir deine Gänse, die du als Kind gehütet hast, und zähl die."
"Die saßen immer um mich herum und knabberten mir am Zopf und am Kittel und den Armen, ganz zärtlich. Aber ... das waren doch bloß sechs."
"Reicht nicht zum Einschlafen, stimmt. Da mußt du dir mehr denken und sie dann zählen."
"Oh, das ganze Bett voller Gänse! Na gut."
Vielleicht, vielleicht wird es noch mal was.