Herr, lehre doch mich, daß ein Ende mit mir haben muß, daß mein Leben ein Ziel hat und ich davon muß.
Ich bin miserabel in Abschieden. Jetzt, jetzt steht einer bevor, vor dem habe ich Angst, und das bedeutet noch am allerwenigsten.
Ach.
Heute finde ich C. wach vor, aber es hilft nichts. Ich mag meine Stimme nicht erheben (der Mitpatient); C. hört schwer. Er liegt und schaut und denkt nach, die Worte wollen sich nicht mehr fügen. Wir können uns nicht verständigen, bringt er schließlich hervor; und: doch, das macht etwas.
Als ich gute Nacht sage, antwortet C.: In alle Ewigkeit.
Wie er versucht mich zu trösten und meine Finger um seinen alten Strickteddy schließt. Meine Hand, die neben seiner dick und rot und gesund aussieht.
Am Abend sagt C. plötzlich klar und deutlich: Brave Mädchen dürfen jetzt springen; das ist der Familienausdruck für: die Kinder dürfen vom Eßtisch aufstehen. Wir Besucherinnen schauen uns an und müssen lachen. Dann packen wir zusammen und brechen auf.
Ich finde C. auf der Bettkante vor, wo er sich abmüht. Mit Hilfe steht er auf; im Rollstuhl fahre ich ihn auf dem Gang spazieren. Der Gang endet vor einem großen Fenster, da halten wir an. C. stemmt sich hoch und steht dann, auf meine Schulter gestützt, vor der Scheibe.
Die Sonne erreicht noch nicht den Innenhof. C. schaut und schaut in die kahlen Baumkronen, auf das Dach unterm klaren Himmel, und ich habe das Gefühl: gerade begreift er, daß er weiter nicht mehr gehen wird. Er hebt eine müde Hand, winkt dem November; dann sagt er: hinlegen. Im Bett zieht er die Decke bis zur Nase und schläft, bleich, voller Unruhe.
Zwei Sätze: Ich will hier raus. (Nein.) Und: Ich habe doch alles gemacht? (Ja. Alles, was gemacht werden mußte. Und so viel mehr als das.)
Gute Wege, C., Lieber. Und danke.