Neuerdings grüßt mich der Nachbar mit den blauen Augen und dem stahlgrauen Haar. Jahrelang hat er an mir vorbei oder durch mich hindurchgeschaut, wie der sehr, sehr alte Herr G, Frau K aus meinem Haus, ihre Freundin und die anderen, mit denen er unter einem Fenster oder in einem Hauseingang tratschte. Es gab eine richtige Nachbarschaft in der Straße, als ich herzog; die Post klingelte nie vergebens, kein Auto wurde unbemerkt zerkratzt, und man wußte, wer nachts lärmend heimgekommen war.
Aber die Zeit, die Zeit: Nach zwei neuen Hüften kam Frau K ins Heim; ihre Freundin hörte irgendwann auf, sich die Haare zu färben, manchmal steht sie mit Rollator an der Gehsteigkante und weiß nicht weiter. Daß einer gestorben war, erfuhr ich gelegentlich beim Bäcker (so jung! noch neddemol achzisch!); oder ich sah die Autos des Bestatters, der Entrümpler, der Handwerksbtriebe und irgendwann die Möbelwagen neuer Mieter. Die Gegend verändert sich, die Bewohner werden jünger, lauter und bleiben nicht mehr lang.
Und jetzt grüßt der Blauäugige mich. Vielleicht bin ich reingealtert in die Gegend; nach zwölf Jahren zählt man hier wohl langsam doch zum Inventar.