In der Kantine treffe ich R, in der Nische für Mitarbeiter und Freunde des Hauses. Wir nehmen uns in den Arm. R ist dünn geworden, aber gebräunt, mit frischem Haarschnitt. Seit er kein Auto mehr fährt, wandert er weite Strecken zwischen den Ortschaften mit seiner Hündin, die nun unterm Tisch schläft.

Ich freue mich, ihn zu sehen. Mir geht's prima, grinst er und wird kurz ernst, nur die Birne ist scheiße.

Gerade ist F da, der Mann einer Mitarbeiterin, die heute keine Betreuung für ihn hat. F, ein grau-blonder Seebär mit Lachfalten um die sehr blauen Augen, war mal Ingenieur. Er ist schon länger krank als R. Mehrmals am Tag legt er sich für ein Stündchen hin. Dazwischen kümmert sich R um ihn, trinkt mit ihm Kaffee, stellt ihn Leuten vor, nimmt ihn mit auf Spaziergänge.

Beiden fallen oft die richtigen Worte nicht ein. Bei F sind die Lücken offensichtlich: wie alt sein Sohn ist? was er nachher macht? Er lächelt bedauernd. Also, das weiß ich nun wirklich nicht. Manchmal fängt er eine Geschichte an, die dann nach kurzer Zeit versiegt. In den Pausen kommt seine Frau vorbei und hilft ihm in die Jacke oder reicht ihm das richtige Besteck. Einmal äfft er giftig ihren Tonfall nach. Na hör mal, weist sie ihn milde zurecht, ich meckere doch gar nicht mit dir! Ach so, lacht F. Das muß man einem Dummen auch mal sagen.

Unterm Tisch erwacht die Hündin und klopft mit dem Schwanz auf den Boden. Als R sie noch nicht lange hatte, machte sie sich, wenn sie spürte, daß seine Aufmerksamkeit abdriftete, selbständig und lief zu anderen Leuten oder suchte den Boden ums Buffet ab. Jetzt bleibt sie in Rs Nähe, legt ihm immer mal wieder die Pfote aufs Knie, läßt sich streicheln und folgt ihm mit dem Blick, wenn er den Tisch verläßt. Mit F hält sie es genauso, einfach so, und der ist entzückt. Paß mal bloß auf, R, scherzt er, die klau ich dir.

Rs Erzählungen mäandern; immer wieder entschuldigt sich, daß er Wortfindungsstörungen habe. Dann wieder gelingt ihm eine schlagfertige Antwort, und alle am Tisch lachen. Nur F schaut vor sich hin und sagt leise: Ich versteh das alles nicht. Wie das hier funktioniert. Er weist in die Runde, auf die Kantine, auf die Welt. Da schiebt sich seitlich die Hundeschnauze auf sein Knie, und siehe da: für einen Moment ist alles gut.