Mein Herz schlägt da eigene Wege ein. Auf einmal halte ich die Luft an, und in mir geht die Sonne auf, während ich am liebsten hüpfen würde: Ist. Das. Wunderbar.
Es sind Menschen, Geschichten, Zufälle und Ideen, die mein Entzücken wecken: Menschen, die für etwas brennen. Ein Bild mit einer hübschen Absurdität. Kleine, um einen Fehler herum funktionierende Systeme; alte Gebräuche, die als schöne Hülle vorsichtig weitergereicht werden. Sinn abseits von Verdienst; die Würde des Kaputten. Dinge, die sich der Funktion entziehen, Menschen, die nicht passen wollen. Sehnsucht. Das Größere, nie Ganze auf den zweiten Blick.
Ein Teil meiner selbst schaut nachsichtig: Haste wieder was gefunden?, aber selbst dieser Teil wird ganz still, wenn es um Liebe geht, so unbegreiflich und zwecklos, wie sie nun eben ist, und wider alle Zerbrechlichkeit. Die macht mich lange froh, und ich fürchte wenig, solange es sie gibt.
Und wie ich traurig werden kann anstelle anderer, und wie sinnlos das ist. Menschen lassen sich nicht ändern oder gar retten; das können sie alles, alles nur selbst. Oder eben nicht. Aber gelassen zusehen, wie sich jemand ins Unglück bringt, dazu bin ich immer noch nicht alt genug.
Ich zähle zur recht großen Gruppe der Ungeselligen. Das ist mir nicht neu; doch was immer noch zwackt, ist, mißverstanden zu werden, aufgrund falscher Annahmen einen verkehrten Platz zugewiesen zu bekommen. Ich bin nicht Gruppentier genug, irgend etwas richtigzustellen.
Geschichten. Überall Geschichten; ich würde ihnen so gern ein Gedächtnis bieten. Und wem gehören sie überhaupt? Dem Erzähler, dem Hörer? Dem Raum zwischen beiden? Ungeteilt sind sie ja nicht.
Das Erlebte, was irgendwann Geschichte wird: Die von Herrn F. als Politischer im Gefängnis, zwei Stunden Hofgang in zwei Wochen U-Haft. Meine Reise in die Ex-DDR kurz nach der Wende in einem Auto voller neugieriger Studenten. Wie T. die Piraten jagt, die seine Bücher verbreiten.
Und die ererbten Geschichten. Die von K.s Mutter, die als kleines Mädchen acht Kilometer über die Felder zum Schlittenfahren lief; die von M.s hochschwangerer Großmutter, die man um ihre Brotration betrog. Die von T.s streitbaren Ahnen (und dieses wunderschöne Wort Grobschmied); und die von dem mordenden Würstchenstandbesitzer, der wohl doch nicht in den Stammbaum gehört. Die vom Vater, der als Gymnasiast beim Führerbesuch jubeln mußte.
Ich weiß nicht, was mit der Wahrheit passiert, wenn Zeit und Zeit und Zeit vergeht, wenn ein Verstand nach dem anderen sich mit etwas befaßt, das einmal geschehen ist. Ist ja nicht einmal alle Schönheit von Dauer.
Mein völlig entsetztes Kopfschütteln auf die Frage von T., ob ich denn schriebe; er mußte lachen und meinte, aha, also ja.
Die Definition von Unglück ist einfacher als die von Glück. Vielleicht ist das der Grund, warum so viele Menschen so viel mehr von ihrem Unglück reden.
Um sich selbst kreisen und sich im Weg stehen, sich am eigenen Schopfe aus dem Sumpf ziehen, den Staub von den Sohlen schütteln. Irgendwas geht immer.
Zum Glück muß man wohl ein großes Talent haben; zum Unglück womöglich noch größeres.
Soll bloß keiner denken, er wisse, wie die Façon aussieht, nach der ein anderer glücklich zu werden habe.
Schenken ist oft so viel leichter als annehmen. Aber was muß ein Mensch erlebt haben, der in jeder Gabe ein Gift vermutet?
Und mit Ansprüchen und Erwartungen ... ach, fangen wir gar nicht an damit. Immer diese meine Marotte, verstehen zu wollen. Als würde das glücklich machen.