Im Herzen ein geflügeltes Insekt, das sich wieder und wieder und wieder gegen das Glas der Fensterscheibe wirft.
Aus dem Stand in vollen Lauf, durch schiere Größe wie in Zeitlupe, weich, mit einem Minimum an Bewegung und beinahe lautlos stürmt das Tier vorüber. Ich habe noch nie einen Elefanten rennen sehen. Keine knallenden Hufe, keine flatternde Mähne, nichts als beschleunigte Masse. Wir Zaungäste staunen, Kinder jubeln, die Erwachsenen halten den Atem an: die Elefantenkuh ist fast zwei Meter hoch und wiegt an die fünf Tonnen. Jeden ihrer Tritte können wir im Untergrund spüren. Gäbe es den Zaun nicht, stünden wir nicht hier.
Warum?, fragt ein Kind, als das Tier wieder vorüberkommt, die vielleicht fünfzig, sechzig Meter bis zum Wassergraben. Umdrehen und zurück, wieder und wieder. Oh, wenn man das wüßte!
Ich bleibe noch ein paar Stunden im Tierpark, aber auch vor der Papageienvoliere, im Café, auf der Zugfahrt heim und Tage später folgen meine Gedanken dem rennenden Elefanten.
Ich führe einen spinnenfreundlichen Haushalt. Die tüchtigen Tiere dürfen gern in Blumentöpfen und unter Möbeln, an der Decke oder hinter Heizkörpern ihr Wesen treiben und Ecken und Nischen mit Gespinst erfüllen; da putze ich vorsichtig drumherum. Manchmal liegen Fruchtfliegenbeinchen darunter oder auch ein Mottenflügelchen.
Die Betreiberinnen der Netze bekomme ich fast nie zu Gesicht. Sollte ich eine beschädigen oder töten, ist das immer ein Versehen und tut mir leid.
Ich kenne ihre Namen nicht. Ich weiß, daß sie gut sehen und ihrem Netz mit den Füßen genaueste Informationen ablauschen über ihre Beute. Sie haben ein kompliziertes Sexualleben, verfügen über überragende Textiltechnologie und können fliegen, zwar nicht aus eigener Kraft, aber mit eigenen Mitteln.
Mögen sie lang und ungestört leben.
Die erste große Hitze ist über die Stadt gebrandet und hinterläßt einen Spülsaum aus gebleichtem Gras, abgeworfenen Straßenbaumästen und von Ameisen überlaufenen, toten Jungvögeln auf den Gehsteigen, die der Temperatur noch kein Federkleid entgegenzusetzen hatten.
Es wird immer stiller, sagt M. Im Ballungsgebiet dünnt der Vogelchor Jahr um Jahr weiter aus. Und wir: gewöhnen uns dran. Bis wir nichts mehr hören als unsere eigenen Stimmen; und die der Motoren.
Es fängt, wie manches Unglück, an mit einem Schnupfen. Der ist hartnäckig, eigentlich immer da, nicht mal Antibiotika können ihm was; meist hält er sich im Hintergrund. Dann aber: wumms, halbe Nase zu, dann Druck im Schädel, Schmerz bei Wind, dann: Ohr dicht, voller Rauschen oder Dröhnen. Was durchdringt, klingt häßlich, verspätet, tiefer oder höher als der Rest. Musik macht überhaupt keinen Spaß, Gespräche auch nicht, Telefonieren tut weh. Schlimmer noch: der Wecker piept umsonst, die Orientierung im Raum ist dahin, jeder Wortwechsel schlingert um "Was?"
Im Wartezimmer hängen seltsame Drucke an der Wand von halbtransparenten Wesen in Gürteln und Stricken. Ja, rechts schlechter, nein, nichts zu sehen, weiß man nicht, müssen wir beobachten.
Ich kenne das, irgendwann geht's auch wieder, nur nie mehr so gut wie vorher. Einstweilen schlafe ich viel.
Die Medizin, bemerkt H, ist keine exakte Wissenschaft; und dann geht die Stocherei los.
(Abgrundtief keine Lust.)