Dieses Jahr der dritte. Wie viele ich schon in der Zeit zurückgelassen habe, oder vielleicht sie mich, man weiß es ja nicht. Jedes Mal eine Zumutung. Bilder, Geschichten und ihre Namen bleiben mir. Ganzes und Halbes.

Die Reihen der Schatten werden dichter; vielleicht, daß das Leben umso klarer leuchte.





Leider schmeckt alles nach Pappendeckel, aber, oh, so schön still hier.

Sorgen um die Spinne unterm Sofa. Wird sie überleben? Nicht verhungern, nicht zertreten oder weggesaugt werden? Meine Träume konstruieren Rettungswege, bis mir klar wird, daß gar nicht die Spinne im Zimmer ist, sondern das Zimmer in der Spinne; danach schlafe ich beruhigt.

Ansonsten treibe ich in Watte gepackt durch den Tag. Die Taubheit bewahrt mich vor Klingel wie Telefon.

Nach Tagen endlich: Massensterben von Mikroben. Hoffe ich zumindest. Ich gehe wieder schlafen und träume mir einen Fortschrittsbalken.





Wie sie Kontakte pflegt, nichts ausläßt, genießt, was zu genießen ist. Manchmal spricht sie noch im Präsens von ihrem Mann und verbessert sich sofort. Manchmal weint sie, kurz und untröstlich.

Und an manchen Tagen fügt sich alles, als wolle ihr die Welt das Leben schön und leichter machen. Das freut mich sehr.

Draußen doch kein Sturm; drinnen Fieber, Tee und viel Schlaf.





Und dann bekommt man einfach so eine Stadt geschenkt.

R., der strubbelige Riese, der in dröhnendem Baß zwischen drei und mehr Sprachen springt und in jeder schmutzige Witze weiß, führt uns durch das Prag der Einheimischen. Gassen und Boulevards, Bahnhöfe, Parks, Festungsmauern. Warme Gaststuben, herzhafte Küche für kleines Geld. Menschen, die froh machen. Und Schnee, eine dichte Decke, noch obendrein.

P. hingegen ist sanft und leise, und wie er sich freut, ist eine Freude. Ihm gelingt es, mir bei zwei Bier die Leute hier zu zeigen, worüber sie lachen, was sie mögen, wo sie stur sein können. Die goldene Stadt hat er mir von innen erleuchtet.

Ein Touristending muß natürlich sein. In der Menschentraube vor dem Rathaus erklärt ein Stadtführer: mit Glockenschlag der Uhr werden die Apostel an den Fenstern über dem Zifferblatt vorbeiziehen. Der geschnitzte Tod wird nicken, und die Menschen ihm gegenüber werden die Köpfe schütteln, weil sie nicht mit ihm wollen, aber was hätte das je gebracht. Und hier sei der einzige Ort in der Stadt, wo man wirklich um Hab und Gut fürchten müsse, wenn man so gebannt nach oben schaut.

Ich schaue dann doch mehr auf die zahllosen emporgehobenen Bildschirme und Bildschirmchen, die den Zug der Apostel, den nickenden Sensenmann und die sich sträubenden Menschen vervielfältigen. Vielleicht wird wirklich der ein oder andere nachher dieses Filmchen besitzen und sonst nicht mehr viel. Bedenke, daß du sterben mußt, und paß dabei auf deine Sachen auf.

Und, klar, so ist das mit Geschenken: wiederkommen muß ich.





Sie waren, im vierundfünfzigsten Jahr ihrer Liebe, wie jeden Abend gemeinsam zu Bett gegangen. Gleich nach dem Gutnacht muß es gewesen sein, da wurde er still, für eine Nacht noch Wächter ihres Schlafes; als sie erwachte, war sie längst allein. Da schrie sie.

Im Hausflur, von dem Türen in alle Zimmer gehen, haben sie ihn aufgebahrt, in Kleidern, die er gerne trug. Die breiten Hände halten nur noch Rosen. Wir Lebenden schauen scheu hinüber auf den Schläfer und sprechen ein Gebet.

Dann bringen sie ihn aus dem Haus, das er selbst gebaut hat. Vier Männer müssen tragen, denn er war nicht klein. Die Klappe des Leichenautos senkt sich gemessen, am Wagenhimmel stehen Sterne.

Eine schöne Aussegnung, sagen alle. Sie, die übrig bleibt, sie nickt und kann und kann es nicht verstehen.