Auf den ersten Blick ist es ein ganz normaler Marktstand mit Gemüse, doch auf drei von sechs Tischen liegen Kartoffeln, nichts als Kartoffeln, in verschiedenen Farben und sortiert nach Größe. Auf den Schildern lese ich: Rote Emmalie, Bamberger Hörnchen, Odenwälder Blaue. Ich frage nach einer Sorte, die ich schon lange suche, da kommt der Kartoffelbauer selbst.
Nein, die Blaue Anneliese habe er nicht, aber die Violetta. Oder, wenn sie nicht unbedingt blau sein müsse, die Alexandra, die sei ausgezeichnet im Geschmack, festkochend, gute Salatkartoffel. Ich habe von Alexandra noch nie gehört. Ja, die hätte auch nicht jeder, die sei anspruchsvoll und ginge beim maschinellen Ernten kaputt; für so was sei er spezialisiert.
Es hat sich eine Schlange gebildet, doch er spricht jetzt von Kartoffeln. Die alten Sorten: Das Saatgut koste ein Vielfaches, der Ertrag sei geringer, und man müsse viel mehr von Hand machen, die seien halt nicht optimiert. Aber wie die schmecken! Hier, die Bonnotte. Herrliche Kartoffel, bloß mit tiefliegenden Augen – viele Kunden lassen die liegen. Er macht sie, weil sie so gut ist.
Sicher, die neuen, populären Sorten hat er auch, man will ja leben. Weniger Arbeit, naja, aber viel mehr Spritzmittel brauchen die, können nix ab. Die hier, und sein Ton wird schwärmerisch, da muß kaum Gift ran. Die sind so richtig vital. Das Bamberger Hörnchen, so als Beispiel, das hat ein Kraut, sag ich Ihnen, ein Kraut, so hoch, da muß erst mal der Mulcher drüber, ehe man die ernten kann. – Er strahlt, als spreche er von den Streichen eines leicht verzogenen Lieblingskindes.
Ich gehe heim mit einem Kilo Mayan Twilight. Schnell gekocht, schwer zu pellen, aber sogar ohne Salz ein Gedicht. Wunderbare Kartoffel, da hat der Mann ganz recht.
Ich habe einen Widerwillen gegen blaue Kartoffeln. Die einzigen, die ich je gegessen habe, haben nach nichts geschmeckt und sahen gekocht widerlich aus. Vielleicht finde ich noch mal bessere, man soll ja nicht zu schnell aufgeben.
Blaue Anneliese schmeckt würzig und fast etwas geräuchert. Das Kartoffelpüree sieht seltsam aus, intensiv veilchenblau. Die Mayan Twilight ist gelb, mit sehr dezenten rosa Flecken auf der Schale. Herrliche Rösti. Man kann aus wirklich allem eine Wissenschaft machen, das ist schon erstaunlich.
Blauer Schwede geht auch - teilweise verschwindet die Färbung dann auch wieder. Meine liebste Knolle ist das Bamberger Hörnchen/Harzer Finger - festkochend. Gut für Bratkartoffeln oder Kartoffelsalate. Allerdings baue ich die selbst an, benötige dann kein Gift/RoundUp zur Ernte.
Wohl dem, der einen Garten hat und damit umzugehen versteht!