Ich muß bis sieben zählen, etwa sechstausendneunhundertunddreißig mal, und schon nach den ersten knapp tausend kann ich sagen: es geht gut. Das macht mein Hirn auf Autopilot, einfach so, Streich auf Streich.

Ich: … 2 … 4 … 6 … Hirn: SIEBEN! Ich: Ich weiß! Erschreck mich nicht.

Ich: … 2 … 3 … Die Reihe noch, dann kann ich für– Hirn: SIEBEN!! Ich: Argh, ja, ja. Meine Güte.

Ich wüßte nicht, wann, aber das hat es wohl geübt.





Ich muß bis drei zählen, hundertacht mal: bis drei, nicht aber bis zur Vier, die Fünf scheidet ganz aus.

Stellt sich raus: kann ich nicht. Nicht, wenn ich dabei etwas machen soll, nichts notieren kann und auch nur ein Buch im Regal im Nebenraum umkippt. Laut mitsprechen hilft auch nie lang.

Ich entnehme meiner Steinsammlung drei Exemplare. Zwei sandfarbene, glatte; einen schwarzen Schlackenstein, auf den ersten Griff und auch vom Gewicht her von den anderen beiden zu unterscheiden. Dazu brauche ich zwei Gefäße; ich wähle stabile Glasschüsseln von unterschiedlicher Größe und verschiedenem Klang.

Die Eins ist der schwarze Stein, der wandert von einer Schüssel in die andere, die wie eine Glocke klingt. Bei zwei und drei klingt die Schüssel nicht mehr gar so rein; würde ich versehentlich rückwärts zählen, könnte ich das an der Tonhöhe hören. Ein Blick auf die Schalen sagt mir, ob der schwarze Stein in der richtigen liegt. So ist es machbar, hundertacht mal.

Nun muß ich nur noch darauf achten, daß ich am Ende des Arbeitsschrittes zähle, nicht mittendrin oder sonstwann.

(Ein Glück, daß ich bis drei zählen muß und nicht bis zwei.)

 

P.S.: Gegen die Spamflut scheint zu helfen, die Namen in den Trollfilter einzutragen; zumindest hatte ich schon länger keinen Müll mehr in den Kommentaren. Vielleicht hatte ich aber auch einfach nur Glück.





Ich kaufe ungern ein; neue Kleider deprimieren mich. Wäre das möglich, hätte ich ein Paar Schuhe und einen Mantel für die nächsten dreißig Jahre. Der letzte hat es immerhin zwanzig gemacht, aber das ist eine Ausnahme, das ist mir klar. Manchmal passiert es mir, daß ein neues Kleidungsstück Jahre im Schrank liegt, ehe ich es anziehe, merke, daß es seinen Zweck ganz ausgezeichnet erfüllt, und mich dann gräme, daß ich es nicht noch einmal bekommen kann.

Ich trage T-Shirts aus dem letzten Jahrtausend und Schuhe, die älter sind als ich. Meine Jeans sind im Gebrauch abgewetzt, nicht in der Fabrik. Wenn ich etwas habe, das ich mag, dann flicke ich es wieder und wieder; Wolle, Leinen, Seide halten länger.

Gerade las ich von einem jungen Mann aus Brighton, der Schneider wurde, um sich genau die Kleidung zu machen, die er tragen will (in seinem Falle: Regency); großartig. Die Stunde Unterricht bei einer Schneiderin kostet 45 Euro. Wenn’s mir das Einkaufen erspart, wär’s das wert.





Nun also der Anschlag in Halle. Deutschland hat ein Antisemitismus-Problem, steht in Artikeln und Kommentaren, das lese ich auf Blogs und in Essays. Und er werde verharmlost, nicht wahr- oder ernstgenommen, totgeschwiegen. Antisemitismus sei wieder salonfähig.

Ich lese und bin befremdet. Das hätte ich nicht für möglich gehalten. Ausgerechnet hier.

In meinem realen, lebendigen Umfeld habe ich in der Tat noch nie Antisemitismus beobachtet. Das mag an meinen freundlichen Mitmenschen liegen; es liegt aber ganz sicher auch daran: In meinem Umfeld gibt es keine Juden. Sie sind unsichtbar.

Juden kenne ich aus Geschichten. Ich weiß, wo einmal Synagogen waren und daß man Steine auf die Grabstätten legt; ich besuche Museen und lese die Publikationen der Geschichtsvereine. Ich weiß, wo und wie meine Stadt jüdisch geprägt ist. Die Namen ihrer jüdischen Bürger kenne ich von den Stolpersteinen vor vielen Hauseingängen.

Oft lese ich diese Namen, Geburts- und Todesdaten. Alles andere – Diskriminierung und Schikane, Denunziation, Deportation und Ermordung – muß ich mir ausmalen.

Daß der Antisemitismus erstarkt, macht mich ratlos und traurig. Ich würde gern etwas tun, wenigstens ein Zeichen setzen; doch ich weiß in meinem Hier und Jetzt nicht, wie.





Ach, hört doch auf mit eurem: wird alles weitergehen wie bisher. Wird es nicht; darf es gar nicht. Nun macht eure Arbeit und sorgt dafür, daß es die tragen müssen, die es leisten können.

Herrschaftszeiten.