Mittwoch, 1. Februar 2017

H. ist königlich noch, wenn sie in Turnschuhen zum Briefkasten geht; alles wendet sich ihr zu. Ihre Stimme ist hell und weich und klingt leise nach ihrer Heimat. H.s Geschichten, das war schon immer so, sind drastisch und landen schnell auf dem Friedhof, und oft grübele ich nachher, hat sie das wirklich gesagt?

H. reagiert auf Unterbrechungen, indem sie einfach lauter spricht. In ihrem unaufhaltsamen Fluß von Worten blitzt es manchmal auf, treibt eine Formulierung vorbei, ein Satz oder mehrere, die klingen wie von hundertjährigem Gebrauch so zugerichtet, daß sie sich in meinem Gedächtnis verhaken, aber während ich noch diesem Ton nachsinne, geht es schon weiter und weiter.

... den Sohn von der Schwester vom Großchen hatte ich am liebsten, ein gerahmtes Bild über der Anrichte, früher hat man das so gemacht, der hieß der schöne August, so schön!; fünfzehn war er, da ist ihm im Wingert das Pferd durchgegangen, ein furchtbares Unglück, schrecklich; ihn und sein Brüderchen hab ich sonntags immer gegossen ...

Schon im Sichten merke ich, daß da in meiner Erinnerung einfach nur Worte sind, wie die bunten Steine, die man im Bachwasser lassen muß, damit sie leuchten.