Sonntag, 7. April 2019

Die schlimmste und die schönste Geschichte des Tages aber erzählt K, und es ist gut, daß der große Fluß dabei ist, denn ohne den wäre manches nicht auszuhalten.

Die schlimmste geht so: ein Video im Netz, gefilmt aus einem Auto am Straßenrand, zeigt, wie ein Viehtransporter ein Stück vom Schlachthof entfernt entladen wird; die Rinder müssen über eine Wiese getrieben werden und stolpern aus dem LKW, orientierungslos, manche verwundet, gar mit gebrochenen Beinen, geblendet vom ersten Mal Sonne. Zum ersten Mal Erde unter den Klauen, der erste Himmel und der erste Wind ihres Daseins: sie erleben gerade das Schönste, was sie je erleben durften, sie rufen, sie wittern, aber zum Grasrupfen läßt man ihnen keine Zeit, denn am anderen Ende der Wiese steht ja das Tor schon offen –

Die schönste Geschichte ist die von dem Kind, das mit anderthalb zum ersten Mal eine Amsel hört, die Erwachsenen zum Stehenbleiben zwingt und lauscht und lauscht, reglos vor Glück, und das dann für den Rest des Tages versucht, wie eine Amsel zu singen.

Ich vergesse beide Geschichten nicht und hoffe, wider alle Vernunft, daß die eine die andere irgendwie auflöst, daß die eine das Gegengift ist, daß sie das Kranke der anderen kurieren kann.