Als die Durchsage kam: nächster Halt in G., schaute ich von meiner Lektüre auf.
G. ist irgendein Dörfchen, aber den Bahnhof kenne ich gut; Stunden habe ich da gewartet zu allen Tages- und Jahres-, in guten wie in schlimmen Zeiten. Das Bahnhofsgebäude, solide aus dem Sandstein der Gegend gebaut, hatte ich gemocht; ich erinnere mich an Fensterläden und eine hölzerne Schubkarre mit großer Ladefläche, auf der ich manchmal im Schatten saß, nachdem der Wartesaal geschlossen worden war. Jemand hatte darauf Töpfe mit Blühpflanzen gepflegt.
Heute sah ich aus dem Zugfenster und erkannte – nichts. Gar nichts. Es gibt kein Gebäude, keine Überdachung an den Bahnsteigen, nicht einmal die Bahnsteige selbst gibt es mehr. Aus dem Bahnhof G. ist ein Haltepunkt geworden; meine Erinnerungen haben einen Halt verloren.
kann man erinnerungen halten können sie einen halten jeder halt ändert sich es sei denn man hält als haltepunkt einer neuen erfahrung
Gelegentlich denke ich: Erinnerungen sind das einzige, was hält. Irgendwann ist einfach nichts anderes mehr übrig. (Und dann verschwinden sogar sie ...) Mich macht es traurig, diese Erinnerungsanker in der äußeren Welt zu verlieren. Nennt man wohl Nostalgie.
die alten erinnerungen sind das gerüst das uns hält heute seiend schaffen wir neue erinnerungen für die zukunft und modifizieren so die alten das leben ist täglich häutung ich lebe in dem gefühl täglich zu wachsen mein leben fliesst
"Mein" Bahnhof steht glücklicherweise unter Denkmalschutz (der sich aber anscheinend nicht auf die Bahnsteige erstreckte). Man kann nicht alles haben: www.hna.de
Ein Bahnhof zum Preis eines ollen Kleinwagens, und dann zweieinhalb Millionen reinstecken ... Muß man auch erst mal haben. Den kleinen Dorfbahnhof hätte ich sonst glatt gerettet.