Daß man goldene Hochzeiten mit einer Zeremonie in der Kirche feiert, hatte ich nicht gewußt. Auch nicht, daß man, ehe man von amtlicher Seite eine Urkunde überreicht bekommt, gefragt wird, ob man das überhaupt möchte – für den Fall, daß man nur noch auf dem Papier verheiratet ist, oder daß einer krank liegt. Ein seltener Fall von Takt in Amtsdingen; in fünfzig Jahren kann, neben der Gewöhnung, viel passieren.

Das Jubelpaar gibt ein Fest und läßt sich feiern. Sie haben sich schön gemacht, eine Schönheit, die mit dem Leben zu tun hat. Wie sie da sitzen, weiß und nicht mehr ganz gerade, und Glück- und Segenswünsche entgegennehmen, müssen sie sich nicht anschauen; später, beim Tanzen, sehen sie niemanden sonst. Sie sind eigen, jedes für sich, aber zufrieden miteinander. Das, und dankbar. Es hätte einiges schiefgehen können.

Ich verstehe, daß um einen solchen Jahrestag Aufhebens gemacht wird. Im Gegensatz zu einer Heirat ist ein Zusammenleben über fünfzig Jahre, in guten wie in schlechten Tagen, keine geringe Leistung.

Ich ziehe den Hut.






Um ein halbes Jahrhundert zusammenzubleiben, dafür müssen die Beteiligten schon ein paar Dinge richtig gemacht haben, da hat das Feiern m.E. durchaus seine Berechtigung.

Um solche Jahrestage sollte man ruhig mehr Bohei machen - und um die eigentliche Hochzeit eher weniger. Ich finde, oft wird für diesen einen Tag zuviel Hirnschmalz, Geld und Energie verballert, anstatt dass eins seine Anstrengungen auf die lange Strecke richtet, die vor einem liegt.


Einiges richtig gemacht, sicher, und eine ordentliche Portion Glück müssen sie gehabt haben. Vielleicht auch so etwas wie: wissen, daß ein Streit nicht das Ende der Beziehung ist; und: keine Heilserwartungen.

Der Pfarrer konnte sich's nicht verkneifen, die vielen Paare zu erwähnen, die sich rauschend ewige Treue und den Himmel auf Erden versprechen. Und das geht dann drei, vier Jahre gut.


Für manch einen mögen sich drei, vier Jahre schon genau wie die Ewigkeit anfühlen, die sie einst versprochen haben ...

Bemerkenswert ist ja auch, daß man, will man nach fünzig Jahren Ehe, sagen wir, siebzig sein, in einem noch unreifen Alter sich entschieden haben muß.

Früher war die goldene Hochzeit eher eine Frage der Gesundheit und der Lebensspanne. Da wurden Ehen einfach nicht geschieden, und Punkt. Da blieb man auf Gedeih (und oft Verderb) zusammen. Ob das immer zum Feiern war, ist die Frage.


Da möchte ich ja auch nicht wieder hin, in dieses Auf-Gedeih-und-Verderb. Aber vielleicht sollte man entweder kompromißbereit sein oder aber vor solchen Versprechungen sehr, sehr genau überlegen. Oder beides.


Ohne ein gewisses grundsätzliches commitment - also den Willen, an der Beziehung zu arbeiten und sich immer wieder zusammenmzuraufen - wird es nicht funktionieren auf Dauer.

Was freilich nicht heißen muss, dass Zusammenbleiben immer die bessere Wahl sein muss. Ich hätte es meinen Eltern zu Zeiten nicht sonderlich verargt, wenn sie sich getrennt hätten, anstatt sich zu fetzen bis zum Schluss. ;-).


Oha, das unterschreibe ich, daß es Paare gibt, die sich besser nie gefunden hätten. (Wobei ich mich bei einigen frage, ob es nicht bloß das Paar-Ideal ist, das ihnen das Paarsein so schwer macht.)

Wahrscheinlich ist es, wie es der Bräutigam zusammenfaßte, ganz einfach: es müssen nur beide dasselbe wollen.


Ja, und wie so oft ist das vermeintlich einfache das, was so schwierig umzusetzen ist.

Ob sich Paare besser nie getroffen hätten, das ist von außen immer schwer zu beurteilen, so weit würde ich auch im Falle meiner Eltern nicht gehen (und das mal ganz losgelöst von dem theroetischen Problem, dass ich dann ja nicht entstanden wäre). Ich meine eher die Einsicht in die Tatsache, dass es unter bestimmten Voraussetzungen (wie zum Beispiel einem dauerhaft sehr ungleich verteilten commitment) einen abnehmenden Grenznutzen gibt, aber das kann halt nur jeder für sich selber individuell veranschlagen, woran es noch festzuhalten lohnt und wo Liebesmüh letzlich vergebens ist.


Man steckt nicht drin, d.h. man weiß oft weder, warum ein Paar sich gefunden hat, noch warum sie zusammen geblieben sind. Meine Patentante am Tag ihrer Goldenen Hochzeit zum Thema "zusammen bleiben": Ach, weißt Du, ich nehm' den nicht so ernst! Mein Onkel äußerte sich übrigens ähnlich. Die beiden hatten wohl eine große Gelassenheit entwickelt.


Eine Geschichte habe ich näher verfolgt, da weiß ich, wieso sie bei ihm geblieben ist: aus Angst. Mehr als zehn Jahre lang. Er werde sie finanziell fertigmachen, hatte er ihr gedroht. Als sie sich dann doch (mit Ermutigung und Hilfe von außen) freigestrampelt hatte, nahm sie beide Kinder mit, begann eine Ausbildung und blühte auf. Was aus ihm wurde, weiß ich nicht.

Frau Trippmadam, whatever it takes ...!