Eine junge, eine alte.
Die junge: blonde Schönheit in Schwarz und Pelz, bei Minusgraden im verschneiten Prager Zoo auf halsbrecherischen Absätzen unterwegs; rehgleich staksend mit nach innen gekehrten Zehen. Sie hängt zwitschernd, aber sichtlich hilflos am Arm ihres Begleiters. Vor den Gehegen bleiben sie höchstens kurz stehen. Einmal bewegt sich ein Ende ihres blonden Pelzkragens und beginnt zu kläffen, da ist es ein winziger, blonder Hund. H. amüsiert sich über meinen Begriff Zierweibchen; wir fragen uns, ob ihr das hier wohl Spaß macht. Als wir das Paar überholen, sehen wir, daß unter ihren Schuhsohlen noch die Preisschilder kleben. An ihr Gesicht kann ich mich nicht erinnern.
Die alte Dame steigt in Dresden in den Zug, begleitet von einem alten Herrn mit Blindenbinde; sie hat in unserem Abteil reserviert. Er ermahnt sie, sich zu melden, sobald sie angekommen sei. Beide sind mindestens achtzig; Geschwister vielleicht. Sie küssen sich zum Abschied. Die alte Frau trägt ihr weißes Haar kurz und schwarze Kleider; sie nickt auf der Fahrt immer wieder ein. In Prag fragt sie uns, ob wir ihr mit den Koffern helfen können; es sind zu viele und sicher zu schwer. Sie reise bis Sankt Petersburg. H. und ich nehmen ihr Gepäck und lotsen sie in die Haupthalle. So zerbrechlich sie wirkt, sie ist recht gut zu Fuß. Vor der Tafel mit den abfahrenden Zügen bleiben wir stehen: keiner nach Petrohrad. Sie kramt ihr Ticket hervor. H. und ich sehen uns an: das sind noch siebenunddreißig Stunden Reise, Abfahrt in einer Stunde. Sie lächelt. Neinnein, das wird schon alles gehen, danke. Schließlich lassen wir sie im Bahnhofsgetriebe zurück, aber wir sprechen noch lange von ihr: jetzt geht ihr Zug. Jetzt ist sie in Moskau, jetzt müßte sie angekommen sein. Hoffentlich, hoffentlich ist alles gut gegangen ... Und wie hinreißend ihr Lächeln war. Ihre Geschichte hätte ich gern gewußt.
Wilhelm Peter: Vor dem ersten Kaffee verschone man mich mit Quatsch mit Soße. (Habe ich gelöscht wegen.)
Trippmadam: Wollte ich auch schon wissen. Nutzt nix.
Liebe Frau Lakritze, ich meinte die Frage eigentlich ganz neutral. Da scheint doch ein Mitteilungsbedürfnis zu bestehen, was ja per se nicht falsch ist.
Sicher, sicher. (Und ich sag da jetzt nichts weiter dazu.)