Herr K., der seinen Lebensabend im Haus nebenan verbrachte mit ummauertem Grund, massiver Kittelschürzenfrau, abends einem Bier auf der Hollywoodschaukel, der hatte nur ein Bein, und nicht vom Ketterauchen; das andere hatte er im Krieg verloren. Zum Stehen lehnte er die Krücken gegen seinen Rumpf und legte den Beinstummel auf die Griffe. Ich bestaunte den Mercedes mit Handschaltung und Kugelgriff am Lenkrad, den er mit Zigarette in der Hand manövrierte.

Jeden Samstag um Mittag heulte die Sirene auf dem einstigen Schulhaus genau dreimal, das drang durch alle Wände. Eines Sommertages hörte sie nicht auf nach dem dritten Mal, sondern heulte fort und fort und fort, da schwang sich Herr K. mit seinen Krücken über die Straße, seine Frau ihm hinterher, und brüllte: Die Russe! Die Russe komme!

Die Russen kamen dann nicht, und irgendjemand stellte auch die Sirene wieder ab, aber nicht mal ich Kind konnte lachen über das seltsame Verhalten der Nachbarn; zu greifbar war ihre Angst gewesen und lag nun in der Gasse wie ein Geruch.

Dem Vater war das nur allzu begreiflich; der mußte sich selbst oft zwingen, bei Flugzeugmotorgeräusch nicht in Deckung zu gehen.

Bis auf mich sind gekommen: leichtes Unbehagen bei Sirenen, Tieffliegern, Kettenfahrzeugen; Unwille, Teil von Menschenmengen (auch: im Gleichtakt jubelnden) zu sein; Bedürfnis nach Überblick; danach, in jedem Falle zu Fuß wegzukönnen, im Notfall auch unbemerkt.






Mein Vater muß einmal als Fünf- oder Sechsjähriger auf der Suche nach seinen Eltern durch Haustrümmer geirrt sein. Er hat bis heute ein ... schwieriges Verhältnis zu Knallkörpern aller Art. Erzählt hat mir das aber meine Mutter, er selbst hat uns Kindern davon nichts gesagt.

(Seine Eltern hat er damals wiedergefunden. Und vermutlich als Selbsterziehung feuert er heute an Silvester selbst ein paar Raketen ab, dazu ist er auch zu sehr Kind geblieben, um sich das nehmen zu lassen.)