Das kleine Kind steht an der Abteiltür und ruft: Mama, Mama! Wo bist du, Mama! Kein Zweifel, das denkt, ab jetzt müsse es sich allein durchschlagen. (Die Mutter ist vorhin los, einen Kakao holen, aber das weiß das Kind nicht mehr.) Schließlich gehe ich hin.

Das Kind ist vier, vielleicht erst drei, es weiß nicht genau, wo es herkommt und hinfährt, und die Mama ist verschwunden. Ich schlage vor, ein bißchen zu warten und zeige aus dem Fenster auf Kirchen, Burgen und Schiffe. Das Kind ist gleich Feuer und Flamme: wer in den Burgen wohnt? wo die Schiffe hinfahren? ob es da Straßen gibt? – Na, und guck mal, wer da kommt!

Die Mutter hat zwei Becher Kakao in der Hand. Das ist aber lieb von Ihnen, sagt sie zu mir, und ihre Blicke sagen: was haben Sie mit meinem Kind zu schaffen! – Beide setzen sich auf ihren Platz ein Stückchen den Gang hinunter.

Auf einmal springt die Mutter auf, daß der ganze Waggon zusammenzuckt, es muß etwas Schreckliches passiert sein: Was! hast! du! wieder! gemacht! Ich habe doch die ganze Zeit neben dir gesessen! Nun ist alles verdorben, mit dir kann man solche Reisen einfach nicht machen! – Sie zerrt das Kind in Richtung Toilette, zum Reinigen, denn es hat sich mit Kakao bekleckert.

Das Kind läßt sich zerren. Es hebt die Stimme nicht, sagt ja, Mama, und: da war eben schon wieder eine Ritterburg!

Draußen auf dem Bahnsteig atme ich durch und öffne die Fäuste zum Winken, kurz, in Richtung des Fensters, hinter dem das Kind bei seiner Mutter sitzen müßte.






Wir reisen auch gerade mit einem anderthalb Jahre alten Kind. Ich wundere mich kringelig wie perfekt Leute geputzt sein können obwohl sie mit einem Menschen unterwegs sind der essen mit Manieren erst irgendwann lernen wird. Letztens im Park noch daheim hat eine Frau ihren Sohn/den Kinderwagen geschlagene 30 Minuten mit Feuchtüchern gereinigt bevor sie los gefahren sind. Ich schäme mich ab und zu für unsere Auftritte aber Perfektion ist, nunja, in der Arbeit angemessen finde ich. Aber bei Kindern..


Das ist wohl genau der Punkt: die lernen das noch. Aber nicht so gern, wenn man sie dafür anbrüllt, oder?


Das glaub ich auch! Was soll ich dazu sagen. Ich schreie nicht mit dem O, er entwickelt sich prächtig aber von vielen Seiten höre ich: wenn du nicht strenger bist ist es verloren. Erziehung ist ein Wort das mag ich aber nicht. Grenzen klingt auch merkwürdig. Liebe und Geduld. Okay. Sogar mit Empathie kann man es 'falsch' machen, wenn zuviel, las ich unlängst. Ach. Man wird sehen. Ich sage dann in 25 - 30 Jahren als nächstes meine Meinung zu dem Thema.


Ich kenne Kinder, die wären verloren ohne Grenzen; und ich kenne welche, die können sich selbst keine Freiräume nehmen. Der beste Erziehungsratschlag ist wohl: nicht auf Erziehungsratschläge hören ...


Jetzt hab ich ein deja vu! Hier gibt es viele Grenzen aber keine Machtspiele. Hätte ich differenzieren müssen. Danke dass sie Empathie mit dem Kind hatten! Sowas rettet.