Gespräch mit einer gar nicht viel älteren Frau. Es geht um die Mobilgeräte, über die sich alle immerzu beugen, um Verfügbarkeit von Wissen und Dingen und Menschen (zumindest virtuell) und um Kinder, die immer schlechter warten können, sich nicht allein beschäftigen, nicht durchhalten. Sie darf besorgt sein, sie arbeitet in der Förderung beeinträchtigter Kinder; und da, sagt sie, sieht sie die Schäden dieser neuen Welt.
In der Schule haben sie Defizite. Da sollen sie auswendig wissen, was jede Suchmaschine zu Millionen Treffern führt. Sie sollen kopfrechnen, zeichnen, lesen und verstehen, wo's ein Video täte. Zeitgemäß ist das nicht: auf ein Leben zwischen Bildschirmen, mit schnellen Entscheidungen, auf Multitasking und Flexibilität werden Schüler nicht vorbereitet in der Schule.
Wir beide sind ja froh, in einer Welt auch ohne Strom, ohne Geräte existieren zu können. Langsam sein, gründlich sein, unabhängig sein. Nicht leiden, wenn nicht alles gleich zu haben oder sicher zu wissen ist.
Und ich denke, wir zwei, wir werden bald nicht mehr zu denen zählen, die die Köpfe schütteln über Leute, die nicht mehr nichts tun können. Uns wird man mit Befremden betrachten, Angehörige eines fremden Volkes; wir werden die mit den Defiziten sein oder, wer weiß, vielleicht konserviert und in ein Museum gesteckt werden.
Man kann sie überleben, verarbeiten, hinter sich lassen. Immer kleinere Steine, ein alter Mantel am Wegrand; und doch, und doch: als Echo auf fremden Verlust ist sie, stürzender Untergrund, schwarze Dürre, Bleigewicht und alles, sofort wieder da, hinter Glas zwar und ohne rechten Hunger, aber da.
Er hat seinen Alltag so gestaltet, daß er täglich schreiben kann, in der Frühe, wenn die Welt noch schläft.
Schreiben würde er ohnehin, wie er ja auch atmet. Aber er braucht Zeit für seinen Roman, an dem er kontinuierlich arbeitet. Er spricht wenig bis gar nicht darüber, und gezeigt hat er ihn noch niemandem.
Er macht, was er will. Für Geld arbeitet er eben so viel, daß es zum Leben reicht. Seine Zeit ist ihm der Luxus, den er braucht. Er verkauft sich nicht. (Manchmal fragt er sich, um welchen Preis.)
Kleine Texte greift er so aus der Luft, oder sie fallen ihm gleichsam aus den Taschen, funkelnde Zeilen voller Bilder und Musik.
Nein, gern schreibt er nicht, sagt er. Was er liebt: geschrieben haben.
Eine häufige Frage auf seine Antwort, er sei Schriftsteller, laute: ja, und was machst du da so die ganze Zeit?
Wenn er schreibt, liest er nicht. Da er meist ein Buch fertigstellt und währenddessen schon mit Skizzen für das nächste beginnt, liest er überhaupt nur wenig, gar nichts auf Englisch und nur Dinge, die ihn sprachlich und inhaltlich möglichst wenig beeinflussen können.
Der Zweifel: vielleicht sei das neueste Buch doch zu sehr auf das ausgelegt, was die Leute lesen wollten ...
Und das Thema "Buchkritik" besser meiden. Nicht wegen etwaiger Verrisse, nein, wegen der Amazon-Kundenrezensionen.
Er würde ja manchmal gern etwas ganz anderes erzählen und hätte da auch ein paar Sachen, aber sein Name sei ja nun so etwas wie eine Marke. Vielleicht unter Pseudonym, dann müßte er sich aber wieder ganz von vorn aufbauen ...
Du hast's gut, du kannst vom Schreiben leben.
Jedes Heute ein wenig kürzer als gestern noch: die Dunkelheit gewinnt, und mit der Dunkelheit kommen die Erinnerungen. Es wird still. Die Aufmerksamkeit richtet sich nach innen. Vergangenes und nie Gewesenes scheinen klarer als das, was sich in den kurzen hellen Stunden drängt.
Wir können das wohl nicht mehr gut vertragen. Die Stadt lärmt und prangt im Überschein; ich ducke mich unter dem Ansturm der Kauf!-Appelle und werde selber immer finsterer dabei.
Man müßte nachdenken, gründlich nachdenken. Ich wünsche mir eine Decke aus Schnee und darunter einen warmen Raum aus Ruhe für den Winter.