T würde gern umziehen. Seit Jahren ist er Mieter einer winzigen Wohnung unterm Dach, in einer Seitenstraße ohne Attraktionen. Die Wohnung hat ihre Macken, und der Paketbote steigt selten in den sechsten Stock. Dafür lebt und arbeitet T mitten in der Stadt.
Nun hat der Vermieter die Miete erhöht, einfach weil er es kann. Zugige Fenster, unzuverlässige Heizung, egal. T liest also jetzt den Immobilienteil der Tageszeitung und hört sich um.
Es sieht nicht gut aus. Mieten ab elf Euro pro Quadratmeter, kalt, an den Ausfallstraßen. T kann als Schriftsteller von seiner Arbeit leben; eine Wohnung in der Stadt jedoch gehört inzwischen, scheint's, zu den großen Sprüngen.
Was nun? Aufs Land ziehen, ein Auto anschaffen? Keine Läden mehr, kein Theater, jedes Treffen planen? Oder aber für eine Bruchbude immer mehr Miete zahlen?
Ich wüßte gern, was die Stadt eigentlich für Bewohner haben möchte.
Gut, daß ich den schwarzen Schal angeschafft habe.
Ich mag Dorfbeerdigungen, auch wenn ich sie natürlich immer von außen betrachte, lieber als das verlegene Hüsteln, das eilige Auseinanderstreben in der Stadt. Ich bekomme, wie viele andere, keinen Platz mehr in der Kapelle; auf der Rückfahrt riecht es im Auto nach Erde, und das gefällt mir dann auch sehr.
Wenn das Jahr mit einem Begräbnis anfängt, kann's wohl nur besser werden.
Die ganze Stadt voll mit Plakaten: Black Friday, Black Weekend, gar: Black Week. Mir ist schleierhaft, wieso man hier partout ein Konzept einführen will, das aus großen Gruppen von Menschen Reißer, Beißer und Plünderer macht; aber vielleicht lebe ich da wieder neben der üblichen Medienwelt.
Der Rest ist Weihnachten. Ganz neu deprimierend: die Riesenplastikkugeln vom Marktplatzweihnachtsbaum sind dieses Jahr mit Werbung bedruckt.
Plätzchenback- und Häkelpläne wider den Adventsüberdruß.
Nachts Schlaf von Niesen bis Niesen. Nicht so schön.
Die Erde neigt sich, und es wird finster für uns hier auf der Nordhalbkugel. Kleines Licht in der Frühe, Wolle über Wolle. Ich mag den Wechsel. Daß ich in den Nächten mal nicht schlafen konnte vor Hitze, das muß hundert Jahre her sein.
Der Herbst hat eine freundlichere Schönheit als der Frühling, sagt B. Im Frühling ist es: Aufbruch! Blüte! Alles neu! Und im Herbst ist es: Laß los, wir haben es geschafft.
Morgen wählen sie in den USA, und es stört mich, daß ich mir darüber Gedanken machen muß.
Die Ausstellung im Ruhr-Museum gewinnt gegen kleines Fieber und Regen: Fotografien von A. Renger-Patzsch. Schwarzweiß, ganz wunderbar, vor allem die vom Ruhrgebiet Anfang des letzten Jahrhunderts. Mietskasernen mit Kohlgärten, Bergmannswäsche im ewigen Dunst. Ganz ohne störende Autos, immerhin.
(Bloß das Anlegen, das klappt besser bei MKS.)
Sechs Wochen haben sie Zeit, sagt T, dann kommt ein professioneller Entrümpler und entsorgt die Reste. Nun muß er alles noch einmal in die Hand nehmen, was seiner Mutter gehört hat, und vieles, was seit seiner Kindheit im Haus war.
Ihr Lieblingsgeschirr, sagt er, geht auf den Flohmarkt. Das könnte er nicht benutzen. Nicht Tag für Tag; schon gar nicht an Feiertagen. Da gibt es zwei Schüsseln, wertlos und nicht mal schön, aber als Kind liebte er sie, weil mit jedem gegessenen Löffel mehr Blumen am Boden sichtbar wurden. Die hat er sich ausgesucht; und das Bescherungsglöckchen.
Was aber macht man mit 2000 Dias? Die gesamte Familiengeschichte? Ich kann nicht zum Anschauen und Sortieren raten und schon gar nicht zum Wegwerfen. (Ich erinnere mich zu gut daran, wie nach dem Tod des Liebsten alle seine Fotos entsorgt wurden; und wie gern ich die manchmal noch angeschaut hätte, viel, viel später.) Nimm sie an dich und verwahre sie irgendwo, sage ich. Das kann dauern.
Ach ja: Wäschemangel?
Nee ... Platzmangel.
Dacht ich mir.