Samstag, 5. August 2023

In der Zeitung ist viel die Rede von Ausweitung des Jagdrechts. (Überhaupt alle diese Wesen, die sich nicht schicken und einfach still aussterben wollen.) Die Krähen, schreibt M dazu, haben ein Landwirteproblem. Landwirte sollten endlich zum Abschuß freigegeben werden.

Ich wußte heute in meiner Straße keine Antwort auf die Frage, wo in der Stadt man denn einen Kaffee trinken kann, wenn man nicht so viel Geld hat.

Auf der Haben-Seite: endlich weiß ich wieder, wie herrlich es sich schläft beim Geräusch leichten Regens. Und es gibt dieses Jahr wilde Brombeeren.





Donnerstag, 6. Juli 2023

Im Herzen ein geflügeltes Insekt, das sich wieder und wieder und wieder gegen das Glas der Fensterscheibe wirft.





Sonntag, 12. Februar 2023

Ich bin zu einem Ausflug eingeladen, der Freund will mich mit dem neuen Wagen abholen; es ist ein Stück weit, sagt er. Schnee wird es geben. Der Freund ist ein kluger Mensch mit Blick fürs Schräge, der sich aus tiefster Seele freuen kann. Ich habe gern mit ihm zu tun.

Er kommt spät, er hat nicht gleich einen Parkplatz gefunden. Kein Wunder, denn sein Auto ist enorm. So breit, ich könnte mich auf der Rückbank ausstrecken. Ich erklimme den Beifahrersitz. Mit Kameras ringsum, Warnton und allerhand Assistenz läßt sich das Ungetüm manövrieren. Wir thronen im Stadtverkehr über allen anderen.

Drinnen sitzt man ruhig und abgeschirmt, man schaut wie durch mehrere Scheiben. Das ändert sich auch auf der Autobahn nicht. Vollgas, der Motor wird kaum lauter, Ausfahrten rauschen vorbei, es fühlt sich gemächlich an, dabei fahren wir 220. Gelegentlich muß der Freund bremsen, weil vor uns einer überholt.

Später, nahe dem Ziel, Serpentinen. Der Freund geht bergauf in die Kurven, das Auto nimmt die Steigungen mühelos; dann: Bremsmanöver. Hier fahren auch andere. Frustriert schaut der Freund die nächsten Kilometer auf das Heck eines Kleintransporters hinab.

Links und rechts die Tannen sind bereits wieder grüngetaut, aber die Böschungen werden mit jedem Höhenmeter weißer. Wir erreichen den Parkplatz am Seehotel. Zwischen zusammengeschobenen Schneewänden drängt sich das Blech. Die Zufahrt, die Kurven, die Parklücke sind gerade eben breit genug; das Auto werden wir von fern noch sehen, schwarzglänzend und aufgepumpt.

Zu Fuß nehmen wir die Straße zum Gipfel. Die Aussicht ist atemberaubend. Nur die Landstraße drunten hört man ohne Unterlaß. Einmal lassen wir einen Linienbus durch, der die Müden und Fußkranken zur Gipfelhütte bringt; auf den Rundblick über Schneegipfel und die grüne Ebene muß hier keiner verzichten.

Und nach einem Kaffee wieder heim, in unwahrscheinlichen zwei Stunden. Es fühlt sich an wie Fliegen, wie nicht ganz richtig – der Freund, der netteste Mensch, den man sich denken kann, der ist, sowie er ins Auto steigt, ein Raser. Da stört ihn alles, was bremsen könnte.

Autoland Deutschland. Kann man nichts machen. Wieso auch; aus solchen Panzern heraus ist das Problem ohnehin nur eins der anderen.





Sonntag, 6. November 2022

Aus dem Stand in vollen Lauf, durch schiere Größe wie in Zeitlupe, weich, mit einem Minimum an Bewegung und beinahe lautlos stürmt das Tier vorüber. Ich habe noch nie einen Elefanten rennen sehen. Keine knallenden Hufe, keine flatternde Mähne, nichts als beschleunigte Masse. Wir Zaungäste staunen, Kinder jubeln, die Erwachsenen halten den Atem an: die Elefantenkuh ist fast zwei Meter hoch und wiegt an die fünf Tonnen. Jeden ihrer Tritte können wir im Untergrund spüren. Gäbe es den Zaun nicht, stünden wir nicht hier.

Warum?, fragt ein Kind, als das Tier wieder vorüberkommt, die vielleicht fünfzig, sechzig Meter bis zum Wassergraben. Umdrehen und zurück, wieder und wieder. Oh, wenn man das wüßte!

Ich bleibe noch ein paar Stunden im Tierpark, aber auch vor der Papageienvoliere, im Café, auf der Zugfahrt heim und Tage später folgen meine Gedanken dem rennenden Elefanten.





Montag, 24. Oktober 2022

In jeder der städtischen Wildnisse, die ich kenne, blüht es, weiß, violett und übergelb, alles, nur keine Herbstfarben. Die Jahreszeiten sind aus dem Tritt: die Innenstadtvögel schleppen Nistmaterial, morgens klingen Reviergesänge; aber ich weiß: auf den Herbst, und sei er auch noch so mild, folgt der Winter.

Es ist tragisch, wie Programme, die sich in Jahrmillionen entwickelt haben, plötzlich ins Leere laufen, antwortet M.

Was mir zu schaffen macht, ist, in einer Welt zu leben, in der bemalte Leinwände höheren Schutz genießen als die Biosphäre. Daß die Mehrheit der jungen Menschen immer noch so brav mitspielt.

Ich bin für ein Säugetier bemerkenswert alt.





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