Mittwoch, 9. August 2017

T., würdest du ein paar Tage mein Haustier hüten? – Wenn's nicht haart, beißt oder auf den Teppich pinkelt, sicher. – Verpuppte Raupen sind harmlos. Dann kann ich also beruhigt nach Berlin.

Ein Museum, eine Biermeile, ein Essen im hipsten Ding der Stadt, eine Gartenausstellung, ein Reisefotoalbum; immer mit Familienanschluß. Oh, und ein Hotel ohne Außen: Fenster zur Halle mit der Rezeption, Himmel nur durch Glas und Gitter, Wetter aus der Klimaanlage und im Internet. So stelle ich mir das auf einer Raumstation vor. Nach zwei Nächten hab ich Hals; in Berlin schläft man besser bei Freunden unterm Eßtisch.

R. ist von der Ostseeküste, Surfer, Alleinwanderer, Bärenvertreiber und Geschichtenerzähler. Er selbst war beim Mauerfall noch keine fünf, aber seine Schwester, schon auf der weiterführenden Schule, bereitete sich gerade für eine Klassenarbeit vor. Geschichte, angesetzt für den 10. November. Die Mutter wollte sie vor den Fernseher holen: Komm, das hier ist auch Geschichte!, aber sie habe nicht gewollt und gejammert: Nein, ich muß für morgen lernen!

Heimreise mit dem Zug. Eine Frau wird laut, als ein Mann sich mit Gepäck an ihr vorbeidrückt: Muß ich mich in Deutschland von einem Ausländer anrempeln lassen!, Thüringer Akzent, sofort rasten alle Vorurteile ein. Ich fühle mich unwohl.

Zuhause hat gewartet, mit geschlossenen Fenstern, bißchen stickig ist es. Ich habe Socken für den Winter geschenkt bekommen, und im Kühlschrank liegt ein sehr kleines Stück von einem sehr großen Tier. Am Tag nach der Rückkehr schlüpft in der Küche unbemerkt der Falter und flattert vor der Scheibe; ich fange ihn ein. Vom Balkon fliegt er in elegantem Bogen davon.

Das Jahr ist nun schon mehr als halb vorbei.