Dienstag, 11. Februar 2020

Der Sturm ist vorübergezogen.

Irgendwo beim Kaufhaus wohnt ein Mann, ich sehe ihn morgens mit seiner Isomatte an der Bushaltestelle vorm Eingang, groß und scheu; nie nimmt er Blickkontakt auf, aber einmal starrte er auf meine schlammverkrusteten Schuhe. Einmal kaufte er drinnen ein Glas Naturjoghurt und aß ihn draußen auf der Bank; einmal hatte er Haare und Bart geschnitten. Er scheint nicht zu trinken, nicht zu lesen, nicht zu sprechen. Ich weiß nicht, ob er sich langweilt; vielleicht hat man dazu keine Zeit, wenn man überleben muß. Vorstellen kann ich es mir nicht.

Die Frau, die mich heute ansprach, trug Grün: hellgrüne Jeans, knallgrüne Jacke, darunter einen Strickpullover von sanfterem Ton; an der dunkelgrünen Tasche hing ein geblümtes Tuch, so daß ich nicht als erstes dachte: ohne festen Wohnsitz, sondern: wow, was für ein Sinn für Farben. Sie sei mittellos, sagte sie sachlich und ging dann, trotz verfilzter Haare nicht ohne Eleganz, ihrer Wege.

Das Haus mit der kleinen Wäscherei wird abgerissen, die Kirche hat’s verkauft; die Mieter müssen bis Ende des Jahres raus. Geplant ist ein Block mit Luxusapartments. Genau das, was die Stadt jetzt braucht.