Felle, davonschwimmend; säckeweis Flöhe zum Hüten, alles unter einen Hut, und noch gute Miene dazu. Sicher, vieles behält man besser für sich, aber was macht man dann damit?
Unmäßig traurig bin ich, als ich den kleinen Kirschbaum, der Jahr für Jahr im Hintergarten so tapfer geblüht hat, verdorrt vorfinde. Unmäßig ärgerlich über all das Plastik, wo es auch eine Papiertüte getan hätte.
Aufhörn zu jammern, mal.
Frisch und blau das Wochenende. In der Luft liegt Übermut, Finken schmettern in den Platanen, auf dem Kopfsteinpflaster paaren sich die Tauben.
Hübsch klingt: Roggen-Vollkorn-Grobschrotbrot. Unschöne Vorstellung: Kinder-Isolierflasche. Der Metzger hat die Haare ab und wiegt, bester Laune, seine Waren großzügig aus. Seine Kunden kaufen, ach, was soll's, das kommt schon weg.
Beim Kaffee krümele ich ungebührlich mit Marmorkuchen. Die Schwerkraft ißt mit, entschuldige ich mich bei T., der meint: Die will eben auch ihr Gewicht halten.
Die Leute tragen Töpfchen durch die Stadt mit Primeln, Narzisselchen oder Hyazinthen. Das lasse ich lieber, ich will den Frühling ja nicht gleich wieder um die Ecke bringen.
Die beiden Chefs arbeiteten, so lange ich sie kenne, immer in einem Raum. Eigentlich hatten sie Pfarrer werden wollen, bis zum Vikariat hatten sie's schon geschafft, aber es kommt eben doch manchmal anders; nun leiten sie seit fünfundzwanzig Jahren gemeinsam ein Institut.
Komm rein, sagt U. und führt mich in sein neues Büro. Groß, hell, an den Wänden Fotos von Reisen und Familie, Pinwände, Wacken-Plakate und Motorradzubehör; sogar die Hotel-Schuhputzmaschine, die er zum Zehnjährigen von der Belegschaft bekommen hat, hat Platz gefunden. Aus den Rechnerlautsprechern schallt Heavy Metal. U. dreht leiser, bevor er an die Verbindungstür zu R.s Büro klopft.
Bei R. könnte man eine Stecknadel fallen hören. Die Jugendstilmöbel, Schrank und Schreibtisch und Bücherregal aus Familienbesitz, geben dem Raum trotz seiner Kargheit etwas Wohnliches; dem Fenster gegenüber hängt ein Pina-Bausch-Poster. R. faltet sich aus seinem Schreibtischstuhl und grinst; man sieht mir wohl meine Entgeisterung an. Wie hat das alles, frage ich, wie habt ihr jemals in ein Zimmer gepaßt?
Zum Abschied klopfe ich diesmal an zwei Türen, laut an die eine, an die andere leise.
Schon beim Warten am Gleis aufziehende Kopfschmerzen.
Aus dem Zug steigt ein Paar, eine alte Dame in Beige erzählt ihrem Begleiter eine wüste Geschichte, die irgendwas mit Strangulation zu tun haben muß; sie gestikuliert lebhaft, verdreht die Augen und lacht schallend dazu.
Im Großraumwagen dann eine Frau, so schön: Gesicht mit runden Wangen unter einem Schatten von Haar; ihre Haut ist an den Rändern knittrig wie sehr abgegriffenes weiches Leder und liegt zärtlich über dem Knochen. Wenn sie lächelt, vertiefen sich Sterne aus Falten um die Augenwinkel. Am Flughafen steigt sie aus, schwarzer Mantel, schwarzer Schirm, als wolle sie zu einer Beerdigung in einem traurigen Film.
Später dann telefoniert ein Weißbart lautstark auf Schwäbisch über Baumaschinen, gute und schlechte Nachbarn und Vorstandswahlen; es nimmt und nimmt kein Ende. Ich nicke ein. Kurz wach werde ich, als er sehr laut, sehr deutlich nachfragt: Der Staubsauger oder die Zugfahrt?!; grinsend schlafe ich wieder ein.
Als mein Bahnhof naht, ist es schon wieder Nacht; die Gesicher um mich sind von Bildschirmen erhellt. Asphalt glänzt, immerhin, im Frühlingsregen. Ich freue mich darauf, wieder für ein Weilchen an einem Ort zu sein.
So viele lockende Geschichten, die ich lesen könnte, und die Geschichtchen, die nervös hüpfen, weil ich sie nicht notiere – aber ach, ich komme zu nichts.
Eins immerhin macht Freude: LaTeX ist wie Fahrradfahren; so ganz verlernt man's offenbar nicht.
(Die Amseln, wie verrückt, besingen unterdes den Abriß des letzten kleinen Hauses hier im Viertel.)
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