Ach, es ist nichts mit dem Schreiben gerade, den kleinen Geschichten ist die Dringlichkeit abhanden gekommen vor lauter: und nun?

Da brennt die Lunge der Erde, ein paar indigene Völker werden gleich mit beseitigt; die Verantwortlichen versprechen sich gute Geschäfte. Hierzulande möchte man Menschen mit unbrauchbarer Lunge kasernieren; den Kassen bringe dies erhebliche Minderausgaben in einem mittleren dreistelligen Millionenbetrag (sic). Wie eine Gesellschaft mit ihren schwächsten Gliedern verfährt, bestimmen Gier und Geiz.

Der betrunkene Obdachlose, der drei jungen Schwarzen hinterhergrölte, sie sollten abhauen, sie hätten bei uns nichts verloren: H kommentierte, Arschlöcher gebe es halt überall; aber ist das so einfach?

Wir alle haben in den Kellern unserer Seele das Kleinkind, das brüllt und mit dem Fuß aufstampft. Wir haben da den Spießer, für den sonnenklar ist, wer was verdient und was nicht, und auch den Steinzeitmenschen, der auf alles eindrischt, was ihm unheimlich erscheint.

Kennen muß man sie, natürlich. Was aber sind das für Zeiten, wo wir unserem unterirdischen Personal Freilauf geben, und zunehmend ungeniert?





Der Schlaf, der Traum. Der Tod.

Nicht die Zuneigung, aber die Liebe. Das Mitleid nicht, aber die Barmherzigkeit.

Wenn nicht die Kunst, so doch ihre Auffassung.

Nicht das Streben und nicht das Scheitern, doch das Gelächter.

Das Immer-wieder-Aufstehen. Das Tun aus Freude.

Das Gewissen. Die Schwäche.

Das Dennoch. Das Nein, danke.





Manchmal muß ich, von wegen schlechter Laune, gedanklich all das Blech aus der Stadt räumen. Wie viel Platz da wäre! Man könnte eine Reihe Bäume in jede Straße pflanzen, dann wär's auch gleich fünf Grad kühler. Ich finde, Autos sollten Angst vor mir haben. Entsprechend schwungvoll trete ich auf den Zebrastreifen, scheinbar ohne links und rechts zu schauen – die werden schon bremsen.

(Sollte ich trotzdem richtig alt werden, dann werde ich mit dem Rollator den Autos, die auf dem Gehsteig geparkt sind, den Lack zerkratzen.)





In einem Leben, dessen verspürte Qualität entscheidend davon abhängt, das Elend anderer Leben ausblenden zu können, Wahlprogramme lesen.





C wohnt jetzt allein. Seine Frau hat ihn verlassen. Er hatte eine Affäre, mehrere Jahre lang; als es herauskam, hat sie ihre Sachen gepackt und die beiden Jungs mitgenommen. Sie leben jetzt einen Ort weiter. Besuche müssen geregelt, Besitz und Verpflichtungen auseinanderdividiert werden, der ganze Rattenschwanz.

 

Über Bs Ehe wußte ich nur, daß sie unglücklich gewesen sein muß. Pedantisch und empfindlich sei ihr Mann gewesen; fremd und seltsam erschien er seinen Enkeln. B hat ihn um knapp dreißig Jahre überlebt, schweigsam, Kreuzworträtsel gelöst und zu Weihnachten allen Socken gestrickt.

Beim Ausräumen ihres Hauses fanden wir ein Nachkriegsbuch über Demokratie und politische Verantwortung. Auf dem ersten Blatt stand, voller Wünsche und Hoffnung, Meiner geliebten B, kurz nach der Heirat gewidmet von ihrem Mann. Ob sie das je gelesen hat? Keiner wußte es; keiner glaubte es.

Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei; irgendwann gibt er nämlich auf.

 

Cs Ex-Frau ist dann durchs ganze Dorf gelaufen, hat bei allen Freunden und Bekannten über C hergezogen und gnadenlose Rache geschworen, persönlich wie finanziell, denn es sei zweifelsfrei klar, wer schuld ist. Und jetzt heißt es: C hat ja Mist gebaut, aber da kann er froh sein, daß er die Frau los ist, der Arme.

 

– Dabei ist es einfach, eine gute Ehe zu führen. – So? Und wie geht das? – Es müssen nur beide wollen!