Freitag, 18. Oktober 2019

Nun also der Anschlag in Halle. Deutschland hat ein Antisemitismus-Problem, steht in Artikeln und Kommentaren, das lese ich auf Blogs und in Essays. Und er werde verharmlost, nicht wahr- oder ernstgenommen, totgeschwiegen. Antisemitismus sei wieder salonfähig.

Ich lese und bin befremdet. Das hätte ich nicht für möglich gehalten. Ausgerechnet hier.

In meinem realen, lebendigen Umfeld habe ich in der Tat noch nie Antisemitismus beobachtet. Das mag an meinen freundlichen Mitmenschen liegen; es liegt aber ganz sicher auch daran: In meinem Umfeld gibt es keine Juden. Sie sind unsichtbar.

Juden kenne ich aus Geschichten. Ich weiß, wo einmal Synagogen waren und daß man Steine auf die Grabstätten legt; ich besuche Museen und lese die Publikationen der Geschichtsvereine. Ich weiß, wo und wie meine Stadt jüdisch geprägt ist. Die Namen ihrer jüdischen Bürger kenne ich von den Stolpersteinen vor vielen Hauseingängen.

Oft lese ich diese Namen, Geburts- und Todesdaten. Alles andere – Diskriminierung und Schikane, Denunziation, Deportation und Ermordung – muß ich mir ausmalen.

Daß der Antisemitismus erstarkt, macht mich ratlos und traurig. Ich würde gern etwas tun, wenigstens ein Zeichen setzen; doch ich weiß in meinem Hier und Jetzt nicht, wie.