Ich hatte mal einen Brieffreund, der ging auf die Götheschule. Stellte sich raus, daß er natürlich wußte, wie man Goethe buchstabiert – die Schule hieß aber nach Johann Friedrich Nilsson Eosander von Göthe, Baumeister des Barock und natürlich immer, immer verwechselt mit dem –. Eine Geschichte, in der es eigentlich nur Verlierer geben konnte; die Brieffreundschaft hat dann auch nicht lang gehalten.

(Bei "immer, immer" muß ich immer, immer an einen Cartoon denken, den mir mal eine Mitbloggerin, Übersetzerin und Sprachdrechslerin, in einem Kommentar beschrieben hat: Ein Mann kommt zur Wohnungstür herein, im Flur steht ein Putzeimer, darin ein Hund, und der Mann denkt: "Immer, immer sitzt der Hund im Putzwasser, wenn ich heimkomme". Die Mitbloggerin bloggt leider lange schon nicht mehr. Den Cartoon würde ich gern mal sehen.)

Lieblingsschild auf dem Markt, an einem Stand mit mediterranen Spezialitäten: Kunuspirege meis körner.

Derweil Frühling, natürlich.





War ich wieder mal beim Friseur, also nicht dem üblichen, sondern bei der, die das gelernt hat, und habe gesagt: kurz, und: jaja, einfach machen, und: daß ich bloß keine Arbeit damit hab.

Erst ein Schrecken: die Silhouette meiner Mutter, Betonfrisur mit Fönbedarf.

Zwei Tage später aber dann sehe ich im Spiegel aus wie auf dem einen Foto, das ich von ihm kenne, mein Großvater, der polnisch fluchte und sich weigerte, zur Hochzeit meiner Eltern in die Kirche zu gehen (recht hatte er): graue Borsten wider Schwerkraft, Mode und Wahrscheinlichkeit grob nach oben starrend, überm Dickschädel noch restgelockt, und das gefällt mir dann doch sehr.

(Im Traum überreicht mir M eine Rose aus gelbem Papier, kunstvoll gefaltet, und zieht dann hüpfend und trällernd von dannen, was so un-M ist, daß ich mich selbst aus dem Schlaf lache.

In der Ruhe nach dem Sturm übt eine Amsel.)





Durch die Gegend meiner ersten ausgedehnten Wanderungen werden Schneisen geschlagen. Zwar verläuft die neue Autobahn anderswo; aber das hier werden ihre Zubringer. Meine Mutter, noch Bauernkind genug, hätte den Kopf geschüttelt: So viel Land …!

Meine Abneigung gegen Zeit am Steuer ist körperlich; vorher tagelang Magendrücken, hinterher komplett erschlagen. Laune: schweigen wir davon. Das war schon in der Fahrschule so – ins Auto steigen mit Locken, ohne wieder raus.

Und falls heute jemand hinter mir in sein Lenkrad gebissen haben sollte: Nein, tut mir wirklich nicht leid. Ich hatte zu tun: aus einem 5,3-Liter- einen 5,1-Liter-Kleinwagen machen.





Ich habe den ersten Schnee gesehen: um das Dichtungsgummi herum an einer Windschutzscheibe; das Auto kam von außerhalb. Anders hat er's noch nicht in meine Stadt geschafft.

Die schönste Viertelstunde des Tages war die, die ich auf T warten mußte, weil der kleine Schuster mich versetzt und ich die besohlten Schuhe doch nicht hatte holen können: in einer windgeschützten Nische am Theater durfte ich im Sonnenschein lehnen, die Augen zu wie eine Katze. Als T dann kam, verschwand eben die Sonne – es ist halt nur für einen von uns Platz.

(Der kleine Schuster ist ein Schluri. So sehr, daß kürzlich ein meterhohes Plakat im Fenster des Ladens hing: er werde nun wirklich pünktlich und zuverlässig arbeiten und habe auch wieder verläßliche Öffnungszeiten; die gedruckte Entsprechung einer vorbehaltlosen Entschuldigung. Klappt so naja. Ich mag ihn trotzdem; und die Schuhe macht er, wenn er sie denn macht, tiptop.)

Noch ein schönes Schild, dieses außen am kleinen Café, in Schreibschrift: Nur Filterkaffee to go!





Eines der hübschesten Dialektwörter sagt T mit Bedauern, als er festellt, der jahrzehntelang alterslose Herr E, den wir von daheim und früher kennen, werde jetzt doch e bissje schrankelisch.

Überhaupt beißt der Dialekt herzhaft zu. Einmal, erzählt T, habe man ihm zugewispert, die und die Person sei e Heeb; später erkundigte er sich: eine Heeb ist ein Gerät zum Entasten von Bäumen.

Unterdes schreibt K Schlimmes: R, Bürgermeister und Auswanderer, Bauer, Tausendsassa, Redner und Geschichtenerzähler in zwei Sprachen: im vergangenen langen Winter irgendwo im Internet falsch abgebogen, verkrachte er sich mit Kindern und Enkeln übers Impfen und ist nun, nach entsetzlichen Wochen auf der Intensivstation, gestorben. Ich hatte ihn gemocht. Er wird vielen fehlen; und wie bitter das ist: es hätte so nicht sein müssen.

Die eisharte Zerbrechlichkeit, gegen die alle Kerzen der Welt nicht helfen.