Die Konditorei ist winzig, Meister C steht in der Backstube, Frau C macht Verkauf und Café. Selbst wenn die Tische alle voll besetzt wären, wären’s keine zwanzig Gäste; und jetzt, na, müssen wir nicht von reden.
Es ist schon ein paar Jahre her, daß Frau C erzählte, ihr Mann mache ja alles alleine, aber nun kriegten sie ein Lehrmädchen. Ausnahmsweise. Früher waren sie Ausbildungsbetrieb, immer zweidrei Lehrlinge; das sei vorbei. Und nun: Lehrmädchen. Einmal noch, vor der Rente.
Das Lehrmädchen bekam ich nie zu Gesicht. Aber es standen auf einmal andere Torten in der Vitrine, nicht gar so routiniert gebaut, geschmackliche Volltreffer. Löffelbisquits kommen in der Prüfung dran, das muß sie jetzt üben, sagte Frau C, und ich freute mich wochenlang an dem immer hübscher werdenden Zuckerzeug.
Ihr Lehrmädchen ist begabt, bemerkte ich einmal – und erntete Schweigen. Backen kann sie, räumte Frau C schließlich ein, aber (raunend) sie ist nicht belastbar. Fix und fertig, und die Arbeit ist erst halb getan. Die jungen Leute … Aha, sagte ich und ließ mir noch eine etwas schiefe Orangenschnitte einpacken.
Nächsten Monat macht sie Abschluß, bekam ich irgendwann erzählt. Der Meister selbst kam aus der Backstube, um bedenklich den Kopf zu wiegen: Na, das wird was! – Ich kaufte gleich drei Tütchen Mini-Florentiner, vorsichtshalber.
Ein paar Wochen später wollte ich’s dann wissen: Und? Hat sie bestanden? – Mit Eins, hieß es knapp. – Ach! Und wie geht’s jetzt weiter? – Gar nicht. Sie geht jetzt studieren, Medizin; das war ja klar, der Vater Chefarzt …
Seither gibt es keine interessanten Torten mehr, und auch keine Zimtschnecken und keine Geschichten. Das Lehrmädchen kommt nur mehr als Nichterwähnung vor: Nein, Löffelbisquits haben wir nicht. Die Zeit hat er gar nicht, er macht ja alles alleine.
Wo ich denn sei, fragt M. Und wann er wieder von mir lese.
So viele Geschichten: immer wieder Bruchstücke der sehr gescheckten Familienhistorie; was Kinder halt so interessant finden. Halb zugehört, nicht mal halb verstanden, dreiviertel vergessen, und jetzt wüßte ich gern mehr.
Die wunderschöne, wahre, die eine Mitbloggerin in knappen Worten niederschrieb; später schlug sie, hab ich den Verdacht, in einer angeeigneten Version gewaltig Wellen, die sich dann gewaltig überschlugen: Salz und Blut. Heute weiß das Netz nur die erlogene noch.
Die mir unbegreifliche, wie aus einer ganz anderen, gern gelesenen Mitbloggerin eine Verschwörungsgläubige wurde; ich weiß zu wenig von ihrem Leben, um zu verstehen, wie das kam, und bin fassungslos, was sie seit einem Jahr von sich gibt. Ich habe, und das mache ich nicht mal bei Toten, den Link zu ihr aus meinem Blogverzeichnis gelöscht.
Die, in der wir grade alle stecken. Aber die ist ja noch nicht fertig.
Irgendwann wieder, ja?
Jedes Jahr der erste des Lebens.
Nicht Niederschlag, sondern Segen. Alle Augen strahlen, in den Schultern kribbeln schon Ballschlachtpläne, und auf Wangen und Lippen: lauter leichte, nadelspitze Küsse.
Ist es nicht stiller geworden? Da haben wir Besuch aus dem Himmel. Schaut, wie es glitzert, der weiche Teppich auf dem Asphalt, und alle Autodächer sind schön.
Morgen dann die Tritte der Tauben auf dem Bürgersteig, bis das Streusalz sie unleserlich macht. Übermorgen haben wir uns gewöhnt und ziehen gegen die Kälte die Schultern hoch. Und noch später: alles Matsch.
Doch heute herrscht Zauber. Der letzte ganz echte im Jahr.
(Januar 2015)
Was mir M erzählt: Auf der Gehsteigkante vorm Haus, zwischen zwei Autostellplätzen, steht eine Wasserflasche; eine gewöhnliche aus Plastik, mit Deckel, aber nicht ganz voll. Eine klare Flüssigkeit ist darin. M hat schon überlegt, sie wegzuwerfen, aber wer faßt gern fremde Flaschen an? Und was schwappt einem da beim Ausleeren entgegen?
Also steht da eine nicht ganz volle Wasserflasche in einer städtischen Wohnstraße, seit vier Wochen nun schon, aufrecht und unverrückt. Drumherum rangieren Autos zum Parken, Leute kehren den Gehsteig, Hunde werden ausgeführt, Post gebracht, Müll abgeholt, Wind weht, Regen fällt, und keiner hat sie umgetreten.
Ich bin gespannt, wie es weitergeht.
Ah! Wohlgeruch dringt aus der Küche ...
... und Wohngeruch dringt aus der Wohnung.
(Beim Wo-Geruch weiß man's nicht so genau.)
Warm? Oder kalt? Aß ich als Kind nicht gern; dabei mochte ich bloß keinen Zimt. Das einzige, was in der Mensa ging. In meiner Vorstellung der süße Brei aus dem Märchen. Manche Kinder glaubten, "Zuckerzimt" sei ein Gewürz. Das Familienrezept: langwierig gebacken mit Quark und Rosinen, die wieder prall wurden in der schweren, körnigen Masse. Die Geschichte vom Reistopf, der nach dem Aufkochen ein paar Stunden ins Bett mußte, unter die Daunendecke. Der französische, wie Suppe mit süßer Milch und einer Messerspitze Zitrusschale. Immer, wenn ich die halbleere Reistüte oben abschneide, muß ich an Herrn Mark denken, der das auch machte. Ach.
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