Montag, 8. Februar 2021

Jedes Jahr der erste des Lebens.

Nicht Niederschlag, sondern Segen. Alle Augen strahlen, in den Schultern kribbeln schon Ballschlachtpläne, und auf Wangen und Lippen: lauter leichte, nadelspitze Küsse.

Ist es nicht stiller geworden? Da haben wir Besuch aus dem Himmel. Schaut, wie es glitzert, der weiche Teppich auf dem Asphalt, und alle Autodächer sind schön.

Morgen dann die Tritte der Tauben auf dem Bürgersteig, bis das Streusalz sie unleserlich macht. Übermorgen haben wir uns gewöhnt und ziehen gegen die Kälte die Schultern hoch. Und noch später: alles Matsch.

Doch heute herrscht Zauber. Der letzte ganz echte im Jahr.

  (Januar 2015)





Sonntag, 7. Februar 2021

Was mir M erzählt: Auf der Gehsteigkante vorm Haus, zwischen zwei Autostellplätzen, steht eine Wasserflasche; eine gewöhnliche aus Plastik, mit Deckel, aber nicht ganz voll. Eine klare Flüssigkeit ist darin. M hat schon überlegt, sie wegzuwerfen, aber wer faßt gern fremde Flaschen an? Und was schwappt einem da beim Ausleeren entgegen?

Also steht da eine nicht ganz volle Wasserflasche in einer städtischen Wohnstraße, seit vier Wochen nun schon, aufrecht und unverrückt. Drumherum rangieren Autos zum Parken, Leute kehren den Gehsteig, Hunde werden ausgeführt, Post gebracht, Müll abgeholt, Wind weht, Regen fällt, und keiner hat sie umgetreten.

Ich bin gespannt, wie es weitergeht.

 

   Ah! Wohlgeruch dringt aus der Küche ...
   ... und Wohngeruch dringt aus der Wohnung.
(Beim Wo-Geruch weiß man's nicht so genau.)





Donnerstag, 4. Februar 2021

Warm? Oder kalt? Aß ich als Kind nicht gern; dabei mochte ich bloß keinen Zimt. Das einzige, was in der Mensa ging. In meiner Vorstellung der süße Brei aus dem Märchen. Manche Kinder glaubten, "Zuckerzimt" sei ein Gewürz. Das Familienrezept: langwierig gebacken mit Quark und Rosinen, die wieder prall wurden in der schweren, körnigen Masse. Die Geschichte vom Reistopf, der nach dem Aufkochen ein paar Stunden ins Bett mußte, unter die Daunendecke. Der französische, wie Suppe mit süßer Milch und einer Messerspitze Zitrusschale. Immer, wenn ich die halbleere Reistüte oben abschneide, muß ich an Herrn Mark denken, der das auch machte. Ach.





Sonntag, 17. Januar 2021

Als kleines Kind faszinierte es mich: Die Männer im Dorf, denen immer eine Kippe auf der Unterlippe klebte. Die Ladenbesitzerin, deren Zeige- und Mittelfinger unabwaschbar gelb waren. Qualm, der im Gasthaus an die graue Decke stieg; glühende Punkte im Weinzelt bei der Kerb. Rauchen war gleich Erwachsensein.

Mein Vater erzählte vom Hungern in der Kriegsgefangenschaft, wie sie sich gegenseitig den Appetit verdarben, um selbst mehr zu bekommen. Das, oder Essen gegen Zigaretten tauschten, die so gut waren wie Geld. – Warum? – Alle wollten Zigaretten haben, alle rauchten. – Du etwa auch?? – Ja natürlich, ich auch. – Und warum rauchst du jetzt nicht mehr? – Davon wird man krank. Dein Opa ist dran gestorben. – Und warum wollen dann alle rauchen? – Wollen? Die wollen ja nicht, die müssen!

Die müssen!, das ist mir im Ohr geblieben und hat mich fürs Leben gegens Rauchen gefeit. Später habe ich gedacht, daß vielleicht genau das meinen Vater zum Entzug gebracht hat nach dem Krieg: daß er es leid war, abhängig zu sein. Um im Tauschhandel das begehrte Gut nicht zu brauchen, sondern darüber zu verfügen.





Samstag, 16. Januar 2021

Naßkalt und windig. Die Nacht wie Mühlsteine. Ob es der Schnee bis hierher schafft?

Immerhin: Die Tage werden länger.





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