Sonntag, 24. März 2019

Über den Marktplatz spaziert ein Elternpaar mit Hund. Eine alte Dame bleibt stehen, begrüßt den Hund, begrüßt das Paar: Ich habe gehört, Sie hätten Junge gekriegt! Das ist ja toll!   Ein Mädchen, korrigiert die junge Mutter, ja, gerade vor zwei Wochen.   Und wo sind sie denn? Bestimmt zuhause?   Nein, wir haben sie dabei, sagt der Vater und öffnet ein wenig die Jacke über dem Tragetuch.   Ach, so nimmt man die heute? Wie die Babys?   Das ist unser Baby!   Aaaaach! Das hatte ich falsch verstanden! Die alte Dame beugt sich hinunter zu dem Hund. Ich dachte, sie hätte Junge gekriegt!   Oh, neinnein, das ist ein Rüde ... (T und ich bemühen uns, keinen Kaffee zu verschütten.)

Auf dem Markt gibt es Primeln im Topf für einen Euro; bei den Fahrradständern neben dem Rathaus blüht ein Löwenzahn, gelb und ganz umsonst.

Endlich wieder Schatten werfen!





Freitag, 15. März 2019

Unter Schirmen, mit Schildern und Transparenten ziehen die Schüler durch die Stadt, hinter einem Polizeiwagen mit Blaulicht her. Die Fahnen im hinteren Teil stammen von Parteien und Organisationen; schön bunt. Weil ihr uns die Zukunft klaut!, und recht haben sie. Lang ist der Zug nicht, aber die gesamte Straßenbreite nimmt er ein. Hinter dem letzten Transparent fährt ein weiterer Einsatzwagen; die Kolonne von Autos, Transportern, LKW, die hier zum Schrittempo gezwungen wird, ist ein Vielfaches so lang wie die gesamte Demo, ein Ende nicht abzusehen, und das scheint mir ein guter Witz.

Nun, bitte, weiter so. Pestet eure Eltern, wenn das nächste SUV zur Diskussion steht oder der Flug auf die Malediven (für euch wurde schließlich die Quengelware erfunden). Geht zu Fuß, nehmt das Rad. Erforscht die Zusammenhänge, eine andere Chance habt ihr nicht, und wählt, sowie ihr nur könnt.





Donnerstag, 14. März 2019

Warum geben Sie denn die schöne Kommode weg, fragt das junge Paar, das mein altes Möbelstück mitnimmt (umsonst an Selbstabholer). Tischlerarbeit, sicher hundert Jahre alt, der Name des Auftraggebers steht in der obersten Schublade. Ich brauche Platz, sage ich. Verkaufen? Hätte ich nicht gekonnt. Verschenken, das geht.

Weg sind ein billiger Sessel, ein teureres Sofa, weg ist die Liege meiner ersten Liebesnächte (wie schmal!, und der Liebste war ein Riese). Auch die alten Kleider habe ich fortgetan, oh, und den alten Schlafsack, der mir so lang auf dem Gewissen lag. Behalten habe ich: das Nachthemd des Großvaters, den ich nie kannte; die Wäsche, die mir der Liebste heimlich mit Mustern bedruckt hatte. Eines seiner Hemden. Beinah alle Bücher, alle Briefe. Die zwei häßlichsten Stofftiere der Welt.

Manchmal war's so schwer, daß ich M anrufen mußte und ihm erzählen, was da durch meine Hände ging. Manches war erstaunlich leicht, und schön, wie Platz wurde.

Wir sind, sagt M, Archivare unser selbst. Das Schlimme ist, füge ich hinzu, sentimentale Archivare.





Mittwoch, 6. März 2019

Atmen sollte doch einfach sein, ebenso Reden, Arbeiten, Schlafen und Essen; aber dann reicht ein Mikroorganismus, mitgenommen irgendwo im öffentlichen Raum, und gar nichts ist mehr einfach. Ja, früher, da lag man alle paar Jahre mal zwei Tage, und gut war's; aber inzwischen liegt man schneller und steht länger nicht mehr auf (und hat dann noch zwei Wochen Sand im Getriebe), und auch klar, worauf's hinausläuft: irgendwann liegt man.

Wie Omma sagte: den Tag, an dem du aufwachst, und nix tut weh, den Tag biste tot.

 

Zu einer Idee von Ulli (Café Weltenall).





Sonntag, 24. Februar 2019

Die Stadt begrüßt Reisende mit Möwengeschrei, obwohl's vom Bahnhof zum Wasser noch ein Stückchen ist. Ich schaue mir alles an, auch den Zoo, und lasse bei den Menschenaffen eine Orang-Frau durch mich hindurchblicken. Die Axolotls tun nichts, wie lange man auch wartet; der Tintenfisch ignoriert den neongelben Spielball und bleibt in seiner Höhle. Im Polarium wandert ein riesiger Eisbär mit ausgreifenden Schritten immerzu hin und her auf den vielleicht fünfzig Metern neben seinem Schwimmbecken, und ich stelle mir ein Hamsterrad in Eisbärgröße vor. Die Großkatzen besuche ich besser nicht.

Als ich, drei Städte später, zuhause in meine Straße einbiege, singt eine Amsel wie vom Blatt, noch nicht ganz sicher, aber das wird schon, ganz bestimmt.





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