Herr K., der seinen Lebensabend im Haus nebenan verbrachte mit ummauertem Grund, massiver Kittelschürzenfrau, abends einem Bier auf der Hollywoodschaukel, der hatte nur ein Bein, und nicht vom Ketterauchen; das andere hatte er im Krieg verloren. Zum Stehen lehnte er die Krücken gegen seinen Rumpf und legte den Beinstummel auf die Griffe. Ich bestaunte den Mercedes mit Handschaltung und Kugelgriff am Lenkrad, den er mit Zigarette in der Hand manövrierte.
Jeden Samstag um Mittag heulte die Sirene auf dem einstigen Schulhaus genau dreimal, das drang durch alle Wände. Eines Sommertages hörte sie nicht auf nach dem dritten Mal, sondern heulte fort und fort und fort, da schwang sich Herr K. mit seinen Krücken über die Straße, seine Frau ihm hinterher, und brüllte: Die Russe! Die Russe komme!
Die Russen kamen dann nicht, und irgendjemand stellte auch die Sirene wieder ab, aber nicht mal ich Kind konnte lachen über das seltsame Verhalten der Nachbarn; zu greifbar war ihre Angst gewesen und lag nun in der Gasse wie ein Geruch.
Dem Vater war das nur allzu begreiflich; der mußte sich selbst oft zwingen, bei Flugzeugmotorgeräusch nicht in Deckung zu gehen.
Bis auf mich sind gekommen: leichtes Unbehagen bei Sirenen, Tieffliegern, Kettenfahrzeugen; Unwille, Teil von Menschenmengen (auch: im Gleichtakt jubelnden) zu sein; Bedürfnis nach Überblick; danach, in jedem Falle zu Fuß wegzukönnen, im Notfall auch unbemerkt.
Früher traf man sich einfach im Dorf; heute sind wir ja in alle Winde zerstreut.
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Vollständig nie.
H. war in Spanien, hat die Alhambra besucht, und was hat er mir mitgebracht?
In einem der ummauerten Höfe habe eine Fledermaus gelegen, ganz mittig und schwarz auf dem hellen Stein habe sie gelegen wie ein kaputter Regenschirm und geflattert, Atem geschöpft, geflattert, immer wieder.
Er habe sich gefragt, ob Katzen in diesen Innenhof finden, oder ob für so was morgens vor Öffnungszeit ein Mitarbeiter eine Hakenstange durch die Festung trägt.
Die Jungs drängeln sich um die strahlenden Vitrinen voller Schädel- und anderer Fragmente, tuschelnd, aufmerksam: mitternachts im Museum, großartig, selbst wenn's nicht verboten ist, kein Versehen und man nicht allein. Eben beugen sie sich über eine abstrakte Ritzzeichnung, Silhouetten aus Schlangenlinien, Leiber aus Brüsten und Hintern, sorgfältig schraffiert.
Einer liest vor: ... vier Frauen und ein Kind in einer Kiepe – was immer eine Kiepe ist – ah, das da, was dazwischen schwebt, das Kind? – Wo sind denn da Frauen, fragt ein anderer. – Na, da! Gehen nach rechts, hintereinander. – Ach, jetzt –. Von der Seite. – Und auch wieder keine Arme, keine Beine, keine Köpfe ... – Kraß, sagt der erste, ich meine, da saß einer im Kämmerlein, nee, in der Höhle, und hat sich darauf einen runtergeholt.
Anders gern hatte ich das unwillkürliche Ächzen im Zuschauerraum, als der Bürgermeisterdarsteller Ende zweiten Akts sich die Kleider vom Leib reißt, auch die Unterhose. Ganz viele Schulklassen im Publikum. Als er sich splitternackt ans Klavier setzt, kicherten sie dann schon, aber mehr so pro forma.
Sommer, noch nicht ganz verschwitzt.
Eine Handvoll Dunkles aufgeklaubt, wie's durch den Stuhlbeinwald auf dem Trottoir sich schleppt: zweidrittel Gefieder, ein Herz, das schier zerreißt vor Fliegenwollen, zwischen meinen Fingern kaum mehr als bebende Luft. Entschieden nicht von hier. Die Kellnerin mit ihrem Pappkarton und dem Telefon am Ohr meint es nur gut, doch die schwarzen Falkenaugen des Seglers können nichts anderes als Insekten und Ferne.
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