Sonntag, 6. November 2022

Aus dem Stand in vollen Lauf, durch schiere Größe wie in Zeitlupe, weich, mit einem Minimum an Bewegung und beinahe lautlos stürmt das Tier vorüber. Ich habe noch nie einen Elefanten rennen sehen. Keine knallenden Hufe, keine flatternde Mähne, nichts als beschleunigte Masse. Wir Zaungäste staunen, Kinder jubeln, die Erwachsenen halten den Atem an: die Elefantenkuh ist fast zwei Meter hoch und wiegt an die fünf Tonnen. Jeden ihrer Tritte können wir im Untergrund spüren. Gäbe es den Zaun nicht, stünden wir nicht hier.

Warum?, fragt ein Kind, als das Tier wieder vorüberkommt, die vielleicht fünfzig, sechzig Meter bis zum Wassergraben. Umdrehen und zurück, wieder und wieder. Oh, wenn man das wüßte!

Ich bleibe noch ein paar Stunden im Tierpark, aber auch vor der Papageienvoliere, im Café, auf der Zugfahrt heim und Tage später folgen meine Gedanken dem rennenden Elefanten.





Montag, 24. Oktober 2022

In jeder der städtischen Wildnisse, die ich kenne, blüht es, weiß, violett und übergelb, alles, nur keine Herbstfarben. Die Jahreszeiten sind aus dem Tritt: die Innenstadtvögel schleppen Nistmaterial, morgens klingen Reviergesänge; aber ich weiß: auf den Herbst, und sei er auch noch so mild, folgt der Winter.

Es ist tragisch, wie Programme, die sich in Jahrmillionen entwickelt haben, plötzlich ins Leere laufen, antwortet M.

Was mir zu schaffen macht, ist, in einer Welt zu leben, in der bemalte Leinwände höheren Schutz genießen als die Biosphäre. Daß die Mehrheit der jungen Menschen immer noch so brav mitspielt.

Ich bin für ein Säugetier bemerkenswert alt.





Samstag, 3. September 2022

Allenthalben heißt es, wir wollen, sollten endlich, müssen das #Klima_retten; dabei geht es doch eigentlich um unsere eigene Rettung: Die am Ast sägen, auf dem sie sitzen, rufen zur #Baumerhaltung auf.





Samstag, 13. August 2022

Ich führe einen spinnenfreundlichen Haushalt. Die tüchtigen Tiere dürfen gern in Blumentöpfen und unter Möbeln, an der Decke oder hinter Heizkörpern ihr Wesen treiben und Ecken und Nischen mit Gespinst erfüllen; da putze ich vorsichtig drumherum. Manchmal liegen Fruchtfliegenbeinchen darunter oder auch ein Mottenflügelchen.

Die Betreiberinnen der Netze bekomme ich fast nie zu Gesicht. Sollte ich eine beschädigen oder töten, ist das immer ein Versehen und tut mir leid.

Ich kenne ihre Namen nicht. Ich weiß, daß sie gut sehen und ihrem Netz mit den Füßen genaueste Informationen ablauschen über ihre Beute. Sie haben ein kompliziertes Sexualleben, verfügen über überragende Textiltechnologie und können fliegen, zwar nicht aus eigener Kraft, aber mit eigenen Mitteln.

Mögen sie lang und ungestört leben.





Samstag, 16. Juli 2022

Warum ich so oft und so vieles nicht veröffentliche oder nicht mal schreibe, ist mir selbst ein Rätsel; Herr Irgendlink hat recht: von nix kommt nix.

Also kann ich berichten, daß ich mir in Vorbereitung auf die Affenhitze mein erstes Alte-Frauen-Kleid gekauft habe. Darunter werde ich die zusammengeerbten, hundert Jahre alten Unterhemden tragen, ja, sogar die hundertfuffzigjährigen (für Männer), und das macht zwar nichts gut, bereitet mir aber eine tiefe, prinzipielle Freude.

Großes Handwerk, wie das gewebt, genäht und bestickt ist. Ich wasche und bügele bloß, sicher nicht mal ansatzweise so, wie es die Herstellerinnen gekonnt hätten, aber ich werde all die schönen weißen Spitzen, die schweren Stoffe mit Verneigung und Vergnügen tragen.





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