Mittwoch, 25. Mai 2016

Das Fotokopiergeschäft F. schließt. Herr F. hat annonciert: Scanner, Kopierer, Drucker, Schneide-, Binde- und Prägemaschinen, alles zu verkaufen. Die Geräte sind alt, aber bestens in Schuß; Herr F. ist schließlich Ingenieur.

Es kommen viele Interessenten in den Laden und versuchen zu handeln. Geht das nicht billiger? Hier, das Gehäuse hat einen Kratzer. Und wenn ich beide nehme? Herrn F.s Geduldsfaden wird allmählich dünn.

Dann kommt ein junger Mann, der die alte Prägemaschine haben möchte. Unwirsch führt Herr F. ihn in die Werkstatt, zeigt Gerät, Folien, Schriftsätze. Der junge Mann stellt Fragen, Herr F. taut auf. Eine gute, eine verläßliche Maschine, wenn man mit ihr vertraut ist; Übung braucht es, man muß sich einarbeiten. Hier, damit kann man es sich etwas leichter machen, und sehen Sie, wie schön das herauskommt ...

Der Handel wird gemacht, der Käufer ist erfreut, Herr F. nicht weniger. Ein bißchen, sagt er zum Abschied, sind diese Maschinen doch wie Kinder. Ja, sagt der junge Mann, man muß nur immer die neuesten, leistungsfähigsten Kinder haben ... Ganz und gar nicht, widerspricht Herr F. Erst hat man Arbeit und Mühe mit ihnen, und dann, dann bleibt man einander treu. Und Sie sollten sehen, wozu sie in der Lage sind, die Racker.

In den USA kann man Feriencamps für Erwachsene buchen, mit Zelt und Lagerfeuer und Geländespielen. Ein paar Tage im Wald (für teuer Geld): keine Meetings, kein Streß, kein Netz. Nicht einmal Uhren! Digital Detox nennt sich das, Stay connected ... Sign up for our newsletter.





Es gibt Texte, die müssen mit Tinte zu Papier gebracht werden, von Hand ins Reine geschrieben. Selbst wenn sie am Rechner entstanden sind. Selbst wenn die Tinte verschmiert, oder vor allem dann.

Überhaupt: ins Reine schreiben. Das klingt schön.

Als erstes ungeduldig werden mit dem "und", das sich nach und nach zu einem Schnörkel verschleift. Ein wenig zu spät merken, daß es zu viel war, nicht für die Hand, die läßt sich ausschütteln, sondern fürs Herz.

Sich ins Reine schreiben und schreiben.





Mittwoch, 18. Mai 2016

Links und rechts, sagt der Schornsteinfeger, hänge eben auch davon ab, ob man die Sache von oben oder von unten betrachte.

Wie jede Woche fragt der freundliche Kaffeemann T. und mich, wie der Kaffee war. Nun ist es so: der Kaffee ist, naja, Kaffee. Nichts Besonderes. Wegen dieses Kaffees würden wir nicht kommen, aber es ist halt insgesamt nett, und anderen bekommen wir hier nicht, also ... Danke, gut, sagen wir. Verdammt, meint T. hinterher, ich wollte doch nicht mehr lügen.

Zwei steigen aus dem Bus. Er hat die Schultern hochgezogen, Hände in den Taschen, und schaut grimmig drein; sie schnieft, und ich höre sie, während sie sich die Wangen mit dem Handrücken wischt, sagen: Man kann's auch übertreiben mit der Ehrlichkeit. Abgrundtief traurig klingt das, nicht mehr zu kitten; aber wer weiß.





Samstag, 14. Mai 2016

C. steht breitschultrig, breitbeinig am Feuer, ein Bier in der Hand, und kichert. Aus dem Freundeskreis ist C. der, der sich am leichtesten amüsieren läßt und über zweifelhafte Wortspiele, absurde Scherze und wirre Dialoge lachen kann, bis ihm die Tränen laufen. Das gefällt mir gut.

Müßte man "lebenstüchtig" illustrieren, täte man das mit einem Bild von C. Man sieht ihm förmlich an, daß er sein (ungeliebtes) Studium sofort abbrach, als er alles wußte, was er brauchte; daß er in der Woche genau so viele Stunden arbeitet, wie er muß; daß er mit minimalem Aufwand beste Ergebnisse zu erzielen versteht und jeden Erfolg genießt. Dabei ist er einer, dem man das von Herzen gönnt.

Es gibt eine lange, lange Fotoserie von ihm und seinem Bruder, als Kinder und Jugendliche, gemeinsam in Sportkleidung unterm Weihnachtsbaum. Jedes Jahr wieder. Sie waren beide sehr gut, bis ein Unfall C. zum Aufhören zwang. Er habe Glück gehabt, sagt er. Es hätte ihn leicht mehr kosten können als die Sportkarriere.

Obwohl er nie kommentiert, sei er ein treuer Leser meines Blogs. Doch, er lese alles, wirklich alles; er erwähnt einen Text, der ihm gefallen hat, beschwert sich über Blümchenbilder, und dann sagt er mir eine Freundlichkeit, die mich zutiefst verblüfft und freut, und natürlich blogge ich das nicht, das muß ich versprechen; das war besoffen.

C. führt eine langjährige, zufriedene Ehe. Die Friseurtermine seiner Frau, erzählt er, notiere er in seinem Terminkalender. Von selbst würde er ja nicht merken, wenn sie eine neue Frisur hat.

Dann schütten wir uns wieder aus vor Lachen.

 

– Wie heißt "nah am Wasser gebaut", nur mit Lachen? – "Amüsierbar". Oder "lachfertig", haha. Nee, das gibt es auf Deutsch einfach nicht.





Freitag, 6. Mai 2016

Einmal im Jahr muß, weiß Bescheid. Und dann sitzense alle aufe Terrasse, Bier inne Hand, warten auf Würstchen und tauschen Stichworte aus. Vatertach: acht Stunden, drei Kisten Barre, sieben Kilometer, Route seit ewig fest (nie am Kirschensiek her), dann Feuerwehrfest, dann Grillen hinterm Haus. Das ist der Zeitpunkt, an dem ich dazustoße. Die Jungs – so darf man sie dann nennen – bleiben liebenswürdig, aber wenn man nicht seit ewig dabei ist ... Weiß Bescheid.

Die vier sind so verschieden, daß man das Gemeinsame lange suchen muß, und dann ist es nicht leicht zu fassen. Zentral ist aber: Zu Vatertag hat keiner je gefehlt. Nicht bei Geburten, nicht bei Todesfällen; nicht bei Regen, nicht bei Schnupfen, nicht bei Frühschicht am nächsten Tag.

Ich erfahre, daß ich vor 21 Jahren eine Postkarte nicht bekommen habe. Die hatten sie adressiert an das Haus vor dem schiefen Häuschen am Ende der Gasse neben dem berühmten Café; Name stimmte natürlich. Was draufstand, wissen sie nicht mehr; die Reise sei aber legendär langweilig gewesen. Kannste nix von sagen. Also ziemlich gut, wohl.

Der Kirschenbaum vor der Terrasse steht so voller Blüten, daß man sie sich gar nicht alle als Kirschen vorstellen mag. Im Herbst soll er "halbiert" werden; hoffentlich überlebt er das. Nächsten Vatertag wird man's sehen.

 

– Wie schreibt man eigentlich "weiß Bescheid"? – Keine Ahnung. Gar nicht.





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