Mittwoch, 4. Mai 2016

Die Amseln teilen zur Zeit mein Viertel auf. Überall sitzen zerzauste Amselmänner auf Antennen und Dachfirsten und singen, was die Kehlen hergeben.

Die Vor-dem-Haus-Amsel weiß Balladen von Sommerwind, schwarzen Augen, süßem Schwingenschlag am Nestrand in der Dämmerung. Die Hinter-dem-Haus-Amsel kann Alarmanlage, manchmal auch Wecker oder Telefon.

Mein Schlafzimmer liegt nach hinten raus. Es geht mich ja eigentlich nichts an, aber ich hoffe inständig, die Vor-dem-Haus-Amsel gewinnt.





Sonntag, 1. Mai 2016

Fortuna hat ein Beine übers andere geschlagen; ihre Schuhspitzen schauen unterm Gewand hervor, aufs Knie stützt sie einen Ellenbogen. Was darüber kommt, Brust, Schultern, Kopf, das alles fehlt. Der Stein ist wie abgewaschen, nur der Saum des Mantels liegt in seidigen Falten. Trotzdem scheint ihr kompakter Körper unter dem Tuch zu atmen, mehr als sonst irgendeine in diesem Raum voller Statuen. Als könnte sie jeden Moment zurücklächeln, wende ich mich immer wieder nach ihr um.

Entzücken anderer Art: In einer Vitrine schwebt eine Frisur. Diese sei, so das Erklärschild, zu einer wohl hölzernen, überlebensgroßen Jupiterstatue die bronzene Haarkalotte (und vermutlich schon beim Transport verloren gegangen. Wo das Blitzbündel hingekommen ist, bleibt unerklärt). Und jetzt hängt sie hier, in ewiger Bereitschaft, ein gewaltiges metallenes Toupet für einen Gott.

Stilleben voller Schnirkelschnecken, eine gotische Elisabeth mit der Schwerkraft unterworfenen Brüsten, ein sich kämmender fränkischer Krieger, und immer noch nicht alles gesehen. Muß ich wohl wiederkommen.

Draußen Frühling; oh, und die Mauersegler sind zurück. Sriii!





Montag, 25. April 2016

Vor Wochen lag die Ankündigung der Feierlichkeiten irgendeines Abschlußjubiläums in meinem Mailfach. Heute die Zuschrift eines Mitschülers, von dem ich nie viel mehr wußte als den Namen und daß er sehr leicht rot wurde: "Meine Frau und ich haben im Mailverteiler deine Adresse gelesen, dein Fachgebiet ist ja wirklich interessant! Im Anhang findest du wichtiges Infomaterial, es betrifft die schädlichen Auswirkungen des Impfens auf"

–> Plonk.

Mannmannmann.





Samstag, 23. April 2016

Hummeln in blühenden Apfelbäumen, Grauganskindergärten und Sonne, vorsichtig dosiert: unterm jungen Grün alter Weiden kann man der Welt nicht böse bleiben.

Ein ganzer gestohlener Wochentag (hast du da nix Sinnvolles zu tun?!), an dem sich alles mühelos findet: flirrende Flußwasserfarben, Störche, die wie bestellt am Nestrand erscheinen, Knoblauchsrauke vom Ufer zum mitgebrachten Butterbrot, geschenkte Lektüre, und der Grill wurde eben angeworfen, in einer halben Stunde gibt es Fisch. Wie am Schnürchen, wie beim Staatsbesuch.

K. zählt zu denen aus meinem echten Leben, die wissen, daß ich ein Blog habe, und die mich manchmal aufmerksam machen auf ein Fotomotiv ... Ich weiß nicht recht. In meinem echten Leben ist mir das mit dem Blog ein wenig peinlich, auf eine Art, die ich mir selbst nicht erklären kann.

Bloggen ist wie Singen unter der Dusche. Zumindest fallen auf die Frage nach dem Warum meine Antworten sehr ähnlich aus.

Manchmal lese ich in fremden Blogs nach, was andere Leute an schlimmen Tagen meines Lebens gemacht haben. Die Welt dreht sich um so viele Achsen, wie es Hirne gibt und Herzen; das tröstet.

Ob Authentizität wichtig ist? Muß, wer schreibt, ehrlich sein? Och. Ich lasse mir auch gern Geschichten erzählen, solange sie nur gut erzählt sind. Und solange sie mir nichts zu verkaufen versuchen.

Ob ich Ansprüche habe an mein Geblogge? Ich mag Sprache. Ich mag es, Gedanken knapp zu fassen. Ich mag Geschichten, und das war's. Wollte ich Bekanntheit, hätte ich irgendwas mit social; wollte ich Geld verdienen, na, was weiß denn ich.

Es gibt keinen triftigen Grund, nicht unter der Dusche zu singen, also blogge ich.

Und: ha! Heute regnet es. Gut, daß K. und ich nicht aufs Wochenende gewartet haben, wie die vernünftigen Leute.

 

(Hier noch was übers Bloggen, das ich mochte.)





Mittwoch, 20. April 2016

Ein Frühlingstag samt Amselsang, warm genug für kurze Ärmel, endlich; und mir sind Kopf und Herz und Eingeweide wie eingeweicht und ausgewrungen. Nebelfeucht.

T. lacht mich aus, M., der Kluge, argumentiert gegen meine Mißstimmung an, K. verabredet Ausbüxen. Muß ich mich bloß wieder einkriegen.

Ich habe die Küchenfenster geputzt. Die Kirsche einen Hof weiter blüht; das ist ein Anfang.





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