Atmen sollte doch einfach sein, ebenso Reden, Arbeiten, Schlafen und Essen; aber dann reicht ein Mikroorganismus, mitgenommen irgendwo im öffentlichen Raum, und gar nichts ist mehr einfach. Ja, früher, da lag man alle paar Jahre mal zwei Tage, und gut war's; aber inzwischen liegt man schneller und steht länger nicht mehr auf (und hat dann noch zwei Wochen Sand im Getriebe), und auch klar, worauf's hinausläuft: irgendwann liegt man.
Wie Omma sagte: den Tag, an dem du aufwachst, und nix tut weh, den Tag biste tot.
Zu einer Idee von Ulli (Café Weltenall).
Die Stadt begrüßt Reisende mit Möwengeschrei, obwohl's vom Bahnhof zum Wasser noch ein Stückchen ist. Ich schaue mir alles an, auch den Zoo, und lasse bei den Menschenaffen eine Orang-Frau durch mich hindurchblicken. Die Axolotls tun nichts, wie lange man auch wartet; der Tintenfisch ignoriert den neongelben Spielball und bleibt in seiner Höhle. Im Polarium wandert ein riesiger Eisbär mit ausgreifenden Schritten immerzu hin und her auf den vielleicht fünfzig Metern neben seinem Schwimmbecken, und ich stelle mir ein Hamsterrad in Eisbärgröße vor. Die Großkatzen besuche ich besser nicht.
Als ich, drei Städte später, zuhause in meine Straße einbiege, singt eine Amsel wie vom Blatt, noch nicht ganz sicher, aber das wird schon, ganz bestimmt.
Es ist, als beträte man ein fremdes Wohnzimmer. Ob noch Platz ist für uns? Knappes Nicken der Wirtin. Ein Tischchen neben dem Stammtisch ist frei; wir quetschen und setzen uns, da ist die Wirtin schon wieder da: Hängese die Mäntel an die Garderobe. Da unne. Sonst missese die über die Stühl hänge. Äh, ja, danke, genau das machen wir ... Die Wirtin hebt die Stimme: Wie des aussieht, des sieht aus, wie auf de Flucht sieht des aus. Na, scherzt einer, auf einen Wein bleiben wir schon ... Des sieht aus wie auf de Flucht, die ganze Mäntel! Ungemütlisch! Eine Karte bekommen wir nicht. Rot gibts nur de Donnfelder. Weiß, trocken? Riesling, Weißburgunder, Grauburgunder. Halb atme ich auf, daß keiner Genaueres wissen will. Oder, bewahre, Sonderwünsche hat. Der Wein kommt schnell, in dicken Römern, und ist, der weiße wie der rote, sehr gut. Ich mag die verwinkelte Gaststube, die niedrigen Türen und winzigen Fenster, das Ofenrohr quer durch den Raum; aber länger bleiben will dann doch keiner, und wir gehen bald.
Da muß ich unbedingt mit T mal hin.
Geärgert habe er sich am Ende auch: Über die Leute in der Bahn, die ihrem Ärger Luft gemacht hätten, so daß er sich nicht aufs Buch konzentrieren konnte.
Überhaupt: Niemand habe aus der Situation etwas Erfreuliches gemacht. Alle hätten sie nur versucht, eine Lösung zu finden, wie sie schneller dorthin kämen, wohin sie doch eigentlich gar nicht so gerne wollten. Den Fahrer angemaunzt, bei der Leitstelle angerufen (Handys sind ja so praktisch), Leitstelle zur Schnecke gemacht, sich nach Taxis erkundigt, Taxizentrale angerufen, Taxizentrale zur Schnecke gemacht, undundund. "Ich werd jetzt jedesmal sofort anrufen und mich beschweren, sonst passiert ja nie was", "Ich nehme ein Taxi, ist mir egal, das sollen die zahlen, vielleicht begreifen die dann was".
Überraschend wenige hätten bei ihrer Arbeit angerufen, um ihre Verspätung dort anzukündigen. Sooo furchtbar dringend könne das also nicht gewesen sein.
Was M erzählt. Zu einer Idee von Ulli (Café Weltenall).
Der Beinah-doch-nicht-Preisträger (wegen falschen Zitierens) fällt etwas ab im Vergleich mit den letzten, dem Sympathiebolzen und der Sprachwandlerin; die Veranstaltung hat was latent Beleidigtes. T und ich bleiben nicht lang.
Aber, sagt T auf dem Weg zur nächsten Weinstube, das berühmteste Wort des Preis-Paten in der Rede falsch zu zitieren – nix gelernt …! Ich stutze. Ich hatte gedacht, ich hätte mich verhört, aber er hat tatsächlich –? Einfach ein -s weggelassen? Eine Pro-Europa-Aussage draus gemacht? Das, sage ich, wäre wirklich großartig getrollt vom Preisträger. Trollkönigsklasse.
Leider weiß man’s nicht genau, man hat’s ja bloß gehört.
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