C wohnt jetzt allein. Seine Frau hat ihn verlassen. Er hatte eine Affäre, mehrere Jahre lang; als es herauskam, hat sie ihre Sachen gepackt und die beiden Jungs mitgenommen. Sie leben jetzt einen Ort weiter. Besuche müssen geregelt, Besitz und Verpflichtungen auseinanderdividiert werden, der ganze Rattenschwanz.
Über Bs Ehe wußte ich nur, daß sie unglücklich gewesen sein muß. Pedantisch und empfindlich sei ihr Mann gewesen; fremd und seltsam erschien er seinen Enkeln. B hat ihn um knapp dreißig Jahre überlebt, schweigsam, Kreuzworträtsel gelöst und zu Weihnachten allen Socken gestrickt.
Beim Ausräumen ihres Hauses fanden wir ein Nachkriegsbuch über Demokratie und politische Verantwortung. Auf dem ersten Blatt stand, voller Wünsche und Hoffnung, Meiner geliebten B, kurz nach der Heirat gewidmet von ihrem Mann. Ob sie das je gelesen hat? Keiner wußte es; keiner glaubte es.
Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei; irgendwann gibt er nämlich auf.
Cs Ex-Frau ist dann durchs ganze Dorf gelaufen, hat bei allen Freunden und Bekannten über C hergezogen und gnadenlose Rache geschworen, persönlich wie finanziell, denn es sei zweifelsfrei klar, wer schuld ist. Und jetzt heißt es: C hat ja Mist gebaut, aber da kann er froh sein, daß er die Frau los ist, der Arme.
– Dabei ist es einfach, eine gute Ehe zu führen. – So? Und wie geht das? – Es müssen nur beide wollen!
Nach einigen Partysommern in der Annahme, man könnte womöglich nach vorne raus ruhiger schlafen als zum Innenhof, schließlich die Zimmer mit Schränken, Regalen, Betten, Büchern vertauscht, um nun jeden Abend zumindest ein paar Schritte in Richtung des verkehrten Raums zu machen.
Zu einer Idee von Ulli (Café Weltenall).
Gut, daß ich den schwarzen Schal angeschafft habe.
Ich mag Dorfbeerdigungen, auch wenn ich sie natürlich immer von außen betrachte, lieber als das verlegene Hüsteln, das eilige Auseinanderstreben in der Stadt. Ich bekomme, wie viele andere, keinen Platz mehr in der Kapelle; auf der Rückfahrt riecht es im Auto nach Erde, und das gefällt mir dann auch sehr.
Wenn das Jahr mit einem Begräbnis anfängt, kann's wohl nur besser werden.
Ich trinke ja gern mit T und V Kaffee; die beiden kennen sich so lange, es ist eine Freude, ihnen einfach zuzuhören. V, der Drummer, erzählt von einem bevorstehenden Auftritt, für den er "was Weihnachtliches zum Schütteln" sucht, und schon sitzt der Ohrwurm.
Seid froh, daß ihr nur diese und nicht meine Ohrwürmer habt, sagt V, und auf unsere skeptischen Blicke hin erzählt er von der Lieblings-CD seines Töchterchens, die davon handelt, daß ein Mann auf den Markt geht, um ein Hähnchen zu kaufen. Dann stellt V sich hin und singt lauthals und glockenrein etwas ganz Schreckliches mit Kikerikikikiki. Leute drehen sich um, ich falle vor Lachen fast hintenüber, T verzieht nicht die Miene. Musiker halt.
Auf dem Heimweg am Theater vorbei rempele ich fast einen Herrn an, der summend aus dem Hintereingang tritt. Was für eine Stimme, denke ich noch, dann sehe ich, das ist ja Wotan. Aus dem aktuellen Ring. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich mal in einem Publikumsexperiment versucht habe, die Altstimme eines Meistersinger-Chorstücks mitzusingen; aussichtslos, selbst mit Noten. Was Wotan wohl für Ohrwürmer hat?
Zwei Tage später denke ich: verdammt, V, verdammt. Kikerikikikiki ...
Wenn das nicht ist, dann ist irgendwas: den Kessel füllen. Im Handgelenk spüren, wann das Wasser reicht. Dann auf die kleine Platte, die so lärmt in letzter Zeit, aber das Wasser unerreicht schnell zum Kochen bringt. Derweil drei Handvoll Bohnen in die Kaffeemühle an der Wand; die habe ich aus dem kleinen Haushaltswarenladen an der Ketzerbach, die greise Besitzerin führte sechstausend Artikel und wußte, wo jeder einzelne stand. (Jetzt wird in dem Laden tätowiert und gepierct.) Beim Kurbeln dringt der erste Kaffeeduft an meine Nase. Das Mahlen dauert, bis das Wasser heiß ist; den Kessel rette ich vom Herd, bevor er pfeifen muß. Dann: die weiße, schöne Tasse. Oder die strengere blaue; manchmal die gerippte mit den Blumen. Der Keramikfilter klickt auf dem Tassenrand. Filterpapier hinein, das schmiegt sich schön; dann prasselt das Kaffeepulver und dann, daß es schäumt, das Wasser aus dem Wasserkessel in den Filter. In Ringen gießen, daß nichts trocken übrigbleibt. Wenn es genug ist, den Filter in die Spüle. Die heiße Tasse an den Tisch tragen, die Hände um sie schließen, die letzten Träume sichten, den Tag erwarten, der immer kommt, und immer früher als gedacht. Kaffee schmeckt, weil man weiß, wie er duftet, ein wenig enttäuschend, egal wie gut er ist.
Idee von Ulli im Café Weltenall.
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