Sonntag, 7. Oktober 2018

Wann sind Sie eigentlich das letzte Mal irgendwo reingegangen ohne Plan, ohne Einladung, ohne auch nur eine Ahnung, was das werden könnte, und dann wurde es etwas Erstaunliches?

Ich überlege immer noch.





Samstag, 29. September 2018

Nicht mal ne Woche, und bezahlt, jaja, aber ich habe keine Lust; nette Menschen da, und das Essen gut, aber ich mag nicht. Zum Wochenende wieder daheim sogar, und das soll es etwa besser machen?

Ich möchte meine Tage in ihrer Länge am Schreibtisch und mit ihren kleinen Gängen, den Mittwoch, den Montag und die anderen, einfach wie immer, mag kein Wetter verpassen und keinen Wechsel im Licht, keinen Kaffee und kein Gespräch, ja, verflixt, könnt ihr mich nicht in Ruhe lassen?

Nun hör aber auf. Nicht mal ne Woche.





Donnerstag, 20. September 2018

Na, Leichtmatrosin, begrüßt mich T. Ich schenke ihm Topflappen, meine ersten seit der dritten Klasse, in Notfallrot und Kriegsschiffgrau.

Er sei, erzählt er, im Garten des Heims zwei alten Leutchen begegnet; der Mann habe sich an den Rosen zu schaffen gemacht, sie, am Beetrand und nicht mehr gar so mobil, habe wohlgemut erzählt, daß sie sich schnell noch um die Blumen kümmern müßten, dann packen, und morgen ganz früh, da führen sie nach Schlesien. Tags drauf das gleiche Bild, und sie erzählte, morgen gehe es nach Bad Lippspringe; jeden Tag ein anderes Ziel.

Vielleicht ein guter Punkt, um da zu bleiben, denke ich. Immer was zu tun, und immer etwas, um sich drauf zu freuen. Aber was weiß ich; ich habe ja jetzt schon keine Lust, mich für den nächsten Segeltörn anzumelden, und der ist in zwei Jahren. Aufs Reisen, anders als aufs Wandern, freue ich mich frühestens dann, wenn ich unterwegs bin.

Kennst du das?, frage ich T. Mir scheint das das Gegenstück zu sein zu den Leuten, die, egal wo sie sind, von Erlebnissen anderswo reden. Hic Rhodos, hic salta, fuhr man dem antiken Athleten über den Mund, als der in Athen prahlte, wie toll er auf Rhodos gesprungen sei. Spring halt hier, wenn du's so gut kannst.

Das, sagt T, hieß bei uns im Dorf: Dehemm honn alle Buuwe Kligger!

 

  Wie hießen im Dorf eigentlich Topflappen – Dibbelumbe?





Dienstag, 18. September 2018

Sieben Tage zur See – gründlicher kommt man nicht raus aus dem Alltag. Viel essen, wenig schlafen und den ganzen Tag schauen und lernen.

Diese alten Steuermänner: denen geht nichts kaputt. Längst schon Pensionäre, turnen sie in den Wanten herum mit Fitt und Segelmacherhandschuh und lassen sich vom Deck aus bewundern.

Der ewig junge alte Steuermann sagt mir überm Köhm, ich sei seine liebste Rudergängerin, verläßlich präzise, und da werde ich tatsächlich rot.

 

Einer erzählt, er hätte Depressionen; ein anderer von seiner Herz-OP; eine von ihrer Trennung. Einer sagt: die Wahrheit ist dein Freund. Einer hat der Wahrheit wegen seine Heimat verlassen. Irgendwo dazwischen finden wir uns vermutlich alle.

 

Ein Landgang reicht, um den Matrosen vom Schiff zu kriegen, aber um das Schiff vom Matrosen zu bekommen, braucht es vier, fünf Waschgänge und zwei Wochen Zeit.

Zwei Wochen lang hat mein Festland Seegang, und in meinen Händen fühlt sich alles zart und samtig an, was nicht Tau ist. Zwei Wochen träume ich jede Nacht vom schönsten Schiff der Flotte.

 

(Und dann ist da noch das Stück Schiff, das abgegriffene Werkzeug, das ich eingesteckt und nicht wieder an seinen Platz getan habe; das liegt wunderbar in der Hand und peinlich auf meinem Gewissen. Das werde ich sicher zurückbringen, sobald es nur geht.)





Montag, 17. September 2018

Es sind immer noch deutlich mehr Männer, die meisten mit breiten Schultern und Händen, Ingenieure, Handwerker, Angestellte, Studenten, Familienväter. Viele Raucher. Sie wechseln schnelle Worte und bissige Scherze, man kennt sich ewig und ist auch über große Distanzen befreundet. Sie sehen, wo die Arbeit ist, und wissen anzupacken. Da drückt sich keiner.

Wenn der Alarm kommt, läßt man alles stehen und liegen; es rücken die aus, die am schnellsten in der Zentrale sind. Und dann kann es alles sein.

Den ersten vergißt man nicht, sagt A. Die Toten werden nicht weniger schlimm, aber der erste fällt einem immer wieder ein; der, und die Kinder. Die eigene Machtlosigkeit. Manche machen Witze darüber, andere machen es mit sich aus. Wieder andere reden. Da sind die Leute verschieden.

A hat sein Leben im Griff. Er sorgt vor. Er durchdenkt alles bis zum Ende. Er lacht leicht, und wenn er lacht, bebt der Boden; so lacht vielleicht nur einer, der weiß, daß nichts sicher ist als das Ende.





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